Weser-Kurier: Kommentar zur Energiewende

Herkulesaufgabe, Kernprojekt der Bundesregierung,
nationaler Konsens – es ist die Zeit der großen Worte und, leider,
der immer noch eher kleinen Taten. Die Energiewende wurde ausgerufen
von der Bundeskanzlerin höchstselbst und zur Überraschung vieler,
besonders in der eigenen Koalition. Nun, nach einem verlorenen Jahr
des Blockierens und Taktierens, soll die Mammutaufgabe mit dem
richtigen Elan angegangen werden – von einer bundesweiten Netzplanung
ist die Rede. Endlich, denn an der nötigen Entschiedenheit haben es
die Bundesregierung, aber auch die Verantwortlichen in der
Energiewirtschaft bisher vermissen lassen. Aus dem disharmonischen
Getute eines nur mit Solisten besetzten Orchesters soll also ein
stimmiges Gesamtkunstwerk entstehen. Dabei ist die Zeit zum Proben
eigentlich schon vorbei, ein Dirigent wurde bereits wegen Unfähigkeit
entlassen. Der neue Kapellmeister hat sich deshalb auch sofort in die
Arbeit gestürzt. Bereits gestern war Umweltminister Peter Altmaier
dabei, als Angela Merkel die Ministerpräsidenten ins Kanzleramt
eingeladen hatte. Doch wer sich davon konkrete Ergebnisse versprochen
hatte, der wurde enttäuscht. „Wir wollen den Erfolg“ – mit Floskeln
wie dieser trat die Chefin der Energiewende nach dem Abschluss des
Treffens vor die Presse, bekräftigende Worte und Appelle, mehr bleibt
nicht übrig von diesem Gipfel. Wie genau nun die überfällige
bundesweite Netzplanung aussehen soll, noch immer bleibt das ein
Geheimnis. Immerhin soll es regelmäßige Treffen geben – im
Halbjahresrhythmus. Wie nötig die sind, zeigt allein der Querschuss
des bayerischen Ministerpräsidenten. Horst Seehofer pflegt weiter
seine Alleingänge. Jetzt droht er Merkel damit, notfalls einen
eigenen Energieversorger, ein Bayernwerk, installieren zu wollen,
falls der Bund bei der Energiewende dem Atomland Bayern nicht
hinreichend entgegenkommt. Ärger machen auch die ostdeutschen Länder.
Sie fürchten durch eine Kappung der Solarförderung Pleiten in der
Solarbranche. Und so brüllen sie alle durcheinander, die 16
Ministerpräsidenten, jeder nach seiner Façon. Diesem dissonanten
Orchester muss der neue Umweltminister nun harmonische Töne
entlocken. „Auf geht–s an die Arbeit“, hat Peter Altmaier gleich nach
seiner Ernennung getwittert. Möglich, dass es sein vorerst letzter
Eintrag war – denn Zeit für Kurznachrichten dürfte er jetzt kaum noch
haben.

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