Stellen Sie sich vor, Sie haben 10.000 Euro auf
dem Sparbuch. Und plötzlich sind es nur noch 9325 Euro. Die Differenz
hat man Ihnen übers Wochenende weggenommen, weil vielleicht Banken
schlecht gewirtschaftet haben, Ihre Regierung oder sonst wer Fehler
gemacht hat. Klar ist nur: Sie haben nichts verbrochen, werden
trotzdem bestraft. Da kocht nackte Wut. Wie bei den Sparern in
Zypern.
Politisch gibt es Argumente für die Teil-Enteignung auf der Insel.
Das angeblich reichlich vorhandene russische Schwarzgeld wird zum
Teil abgeschöpft. Das klingt moralisch gut. Außerdem kann man es
gegenüber den EU-Steuerzahlern gerecht finden, wenn nicht nur sie,
sondern auch Anleger zur Kasse gebeten werden. Doch der Plan für
Zypern trifft nicht nur reiche Russen und Engländer, sondern auch
Festlands-Griechen aus dem Mittelstand, die glaubten, wegen der
Probleme im eigenen Land nach Zypern ausweichen zu können. Vor allem
leiden einheimische Kleinanleger. Diese sind auch durch den
Gerechtigkeits-Trick, bei kleineren Guthaben einen geringeren
Prozentsatz zu nehmen, kaum zu beruhigen.
Dass Sparer wegen der Schuldenkrise zur Kasse gebeten werden
sollen, ist eine neue Eskalationsstufe der Schuldenkrise. Doch es ist
nicht der einzige Tabubruch. Die mit der Sparer-Enteignung
verbundenen Hilfen für Zypern selbst widersprechen dem Geist des
Maastrichts-Vertrages. Staaten mit Finanzproblemen sollten sich
eigentlich selbst helfen. Vor drei Jahren entschied Europa bei der
Griechenland-Rettung erstmals anders, weil man befürchtete,
Griechenland oder andere Länder könnten das gesamte System ins Wanken
bringen. Dass diese Begründung bei Zypern, das nur wenige Einwohner
mehr als die Stadt Düsseldorf hat, ebenfalls gültig ist, muss noch
bewiesen werden.
Wenn die Enteignung der Sparer in Zypern wie geplant durchgezogen
wird, dürften sich bei Wiederöffnung der Banken dort dramatische
Szenen abspielen. Doch das ist minimal gegen die Gefahr, dass der
Tabubruch, Sparern ihr Geld wegzunehmen, auch in Spanien, Portugal,
Italien oder sogar Frankreich Reaktionen auslöst. Wenn dort – per
Online-Banking geht das schnell – viele ihre Anlagen in vermeintlich
sichere Länder transferieren, wird die Lage sehr ungemütlich.
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