Es fällt leicht, dem Nachfolger des Antisemiten
Ahmadinedschad wohlwollend entgegenzutreten. Zu skurril waren die
wirren Auftritte des bisherigen iranischen Präsidenten in den
vergangenen Jahren. Doch das Etikett des Reformers, das seinem
Nachfolger, dem früheren Atom-Chefunterhändler Hassan Ruhani,
anhaftet, ist kein Grund für Entwarnung in der Krisenregion. Zum
einen ist Ruhani seit Jahren Teil des iranischen Machtapparats. Er
dürfte in dieser Zeit manchen Kompromiss gemacht haben, der ihm im
neuen Amt nachhängt. Zum anderen ist in Teheran auch ein moderater
Geistlicher eben dem obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei
verpflichtet. Und unter dessen Ägide werden sich Reformgedanken nach
den bisherigen Erfahrungen nicht zu einer Erneuerung auswachsen, wie
man sie sich im demokratiegewöhnten Mitteleuropa wünschte. Ob die
religiöse Führung auf den Protest gegen das System, der da an der
Wahlurne überraschend deutlich zum Ausdruck kam, mit Öffnung oder mit
Repression reagiert, ist mit Ruhanis Wahl deshalb noch lange nicht
entschieden.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261