Dieser Wahlabend wird in die Geschichtsbücher
eingehen: Den Grünen ist nicht weniger als ein historischer Triumph
gelungen. In Baden-Württemberg könnte der 62-jährige Winfried
Kretschmann tatsächlich der erste grüne Ministerpräsident
Deutschlands werden. In Rheinland-Pfalz springen die Grünen von der
außerparlamentarischen Opposition direkt auf die Regierungsbank.
Damit sind die Grünen nun insgesamt in 15 von 16 Landtagen vertreten.
Zweifelsohne hat keine Partei so sehr von der Debatte um die
Atomkraft profitiert wie die Grünen. Das allein aber kann den
Höhenflug nicht erklären. Keine Frage: An diesem 27. März ist die
Republik ein Stück grüner geworden. Nun allerdings muss die Partei
beweisen, dass sie die Erwartungen gerade ihrer neuen Wähler auch
erfüllen kann. Der FDP ist das nach einer ähnlichen Erfolgsserie
gründlich misslungen. Gerade das Schicksal der Liberalen dürfte den
Grünen Warnung und Mahnung zugleich sein.
Wo ein Sieger alles und alle überstrahlt, muss es auch Verlierer
geben. Gestern gab es außer den Grünen fast nur Verlierer. Der größte
ist zweifelsohne Stefan Mappus. Nach 58-jähriger Regentschaft muss
die CDU in Baden-Württemberg in die Opposition, und das hat viel mit
dem Noch-Ministerpräsidenten Mappus zu tun. In den gerade einmal 14
Monaten seiner Regierungszeit hat er beinahe alles falsch gemacht,
was falsch zu machen war. Er hat sich als Konservativer zu
stilisieren versucht, weil er hier eine Lücke in der Union vermutete.
Er hat wie kein Anderer für die Atomkraft gestritten. Kein Wunder,
dass ihm die energiepolitische Wende nach der Atomkatastrophe von
Japan am allerwenigsten abgenommen wurde. Vor allem aber hat Mappus
beim Streit um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 jedes politische
Gespür vermissen lassen; dramatisch sein Missmanagement. Heiner
Geißler konnte zwar schlichten, doch das Vertrauen in den
Regierungschef war weg. Unfassbar angesichts der ökonomischen
Rahmendaten und der politischen Tradition im Schwabenland. Dieser
Vertrauensverlust war für Mappus der Anfang vom Ende, nicht Fukushima
– auch wenn der 44-Jährige das anders darzustellen versucht. Mappus
könnte den größten Teil seiner politischen Karriere schon hinter sich
haben. Seine Zukunft in der Union ist mehr als ungewiss.
Ganz anders dagegen die Situation der CDU-Spitzenfrau Julia
Klöckner in Rheinland-Pfalz. Die 38-Jährige hat die Werte ihrer
Partei stabilisiert. Zu mehr als einem Achtungserfolg reichte es zwar
nicht, doch Klöckners Zeit könnte noch kommen. Ihr Abschneiden nimmt
auch für Kanzlerin Angela Merkel und die Bundes-CDU etwas Druck vom
Kessel. Zwar wird das Debakel in Baden-Württemberg zu heftigen
innerparteilichen Auseinandersetzungen führen. Entlastend dürfte für
Angela Merkel allerdings wirken, dass in Stefan Mappus ein
Hauptschuldiger schon ausgemacht ist.
FDP-Chef Guido Westerwelle hingegen hat so einen Buhmann nicht
vorzuweisen. Die Liberalen sind nur äußerst knapp am totalen Desaster
vorbeigeschlittert. Personelle Konsequenzen für den Parteichef sowie
für die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger – spätestens beim
Bundesparteitag im Mai – sind damit noch keineswegs ausgeschlossen.
Die SPD schließlich ist allenfalls ein Sieger zweiter Klasse.
Allein, dass die Sozialdemokraten in Baden-Württemberg nicht mehr als
ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten zur historischen Wachablösung
beisteuern konnten, spricht Bände. »Grün-Rot« und »Juniorpartner«
sind Begriffe, an die man sich sicher erst gewöhnen muss in der SPD.
Auch in Rheinland-Pfalz sind die Verluste für Ministerpräsident Kurt
Beck dramatisch. Die Alleinregierung ist dahin, noch dazu fällt der
Vorsprung auf die CDU denkbar knapp aus. Echte Erfolge sehen ganz
sicher anders aus.
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