In Kasachstan kämpft die Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) um ihre
Existenzberechtigung. Die 56 Mitglieder kommen aus Europa, den USA,
Kanada und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion – ein großer Aufwand
für ein diplomatisches Forum, das seit dem vergangenen Gipfel vor elf
Jahren wenig erreicht hat. Abrüstung, Vertrauensbildung und
Konfliktverhütung – so heißt der weitgehend unerfüllte Auftrag. Als
2008 der Georgien-Konflikt mit Russland ausbrach, zeigte sich die
OSZE hilf- und machtlos. Immerhin konnten Russen und Amerikaner hier
auf Augenhöhe miteinander reden. So hat Russlands Präsident Putin die
OSZE 2007 ein »vulgäres Instrument für die Wahrnehmung
außenpolitischer Interessen eines Landes« genannt. Inzwischen hat
sich die US-russische Lage entspannt. Die OSZE wird auch von Nato und
EU genutzt, um ihre sicherheitspolitischen Ziele und Strategien
abzustimmen. Es fragt sich allerdings, ob die OSZE hierfür eine
geeignete Plattform bietet. Nato und EU könnten in Brüssel kürzere
Wege gehen, ohne kasachischen, weißrussischen oder turkmenischen
Diplomaten zu begegnen. Immerhin hat die OSZE die Rechtmäßigkeit
demokratischer Wahlen in Armenien überprüft und eine wichtige Rolle
im Kosovo gespielt. Doch Abrüstungsprobleme wurden kaum gelöst: So
ist das Wiener Dokument über vertrauensbildende Maßnahmen veraltet
und für europäische Interessen ungeeignet. Auch bei den regionalen
Konflikten – Abchasien und Südossetien – bleiben die Parteien meist
unnachgiebig. Russland mauert und will sich im Kaukasus nichts
vorschreiben lassen. Verständlich, dass der UN-Generalsekretär Ban
Ki-Moon ein besseres Erkennen und Bewältigen der Krisen fordert. Mit
ihrem Appell an die Einhaltung der Menschenrechte hat Bundeskanzlerin
Angela Merkel eine besonders wunde Stelle der OSZE getroffen.
Turkmenistan, Kasachstan, Weißrussland, Russland und Usbekistan sind
undemokratisch und – im Sinne von Presse- und Meinungsfreiheit –
unfrei. Turkmenistan liegt auf der Rangliste von »Reporter ohne
Grenzen« an vorletzter Stelle. Ein Kuriosum: In der OSZE sitzen das
freieste Land (Norwegen) und das unfreieste Land (Turkmenistan) an
einem Tisch. Der Gastgeber Kasachstan ist auch kein Paradies der
Freiheit. Menschenrechtler empören sich über die Aufwertung des
autoritären Präsidenten Nursultan Nasarbajew durch den OSZE-Gipfel.
Hierbei ist Kanzlerin Merkel ein Spagat misslungen: Sie forderte mehr
Menschenrechte, zugleich hat sie Nasarbajew gewürdigt. Wie soll man
das verstehen? Wenn die OSZE ihren Auftrag nicht ernster nimmt, hat
sie sich bald überlebt. Dass sie reformiert werden muss, ist
selbstverständlich. Allerdings muss man fragen, ob es kein besseres
Forum für die US-russische Kommunikation gibt, denn viele der 56
OSZE-Mitglieder sind nur Statisten.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261