Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur US-Haushaltskrise

Mit jeder neu inszenierten Krise wagen sich die
republikanischen Hitzköpfe in Washington näher an den Abgrund heran.
Diesmal schickten sie Millionen Staatsangestellte in den unbezahlten
Zwangsurlaub und kokettierten ernsthaft mit der Idee, einen
Staatsbankrott zu riskieren. Sprichwörtlich in letzter Minute traten
sie von der Klippe zurück. Die Katastrophe blieb aus, weil sich
besonnenere Kräfte noch einmal durchsetzten.

Paradoxerweise hat Barack Obama diesen Ausgang mit eiserner
Sturheit erzwungen. Der Präsident schützte die Verfassung, indem er
es nicht erlaubte, das Gemeinwohl als Geisel nehmen zu lassen, um
politische Ziele zu erpressen. Die Republikaner haben nach dem
inszenierten Drama absolut nichts vorzuweisen. Sie erzielten keinen
Kompromiss, sondern kapitulierten auf ganzer Linie. Für die
US-Konservativen erweist sich die Kamikaze-Strategie als Desaster.
Ihre Marke ist beschädigt. In Umfragen sind die Republikaner
unbeliebt wie nie zuvor. Experten von Standard & Poor–s rechneten
aus, dass allein die 16 tägige Verwaltungsblockade einen
volkswirtschaftlichen Schaden von 24 Milliarden Dollar angerichtet
hat.

Statt die Gesundheitsreform aus den Angeln zu heben, halfen die
Hardliner im Kongress dem Präsidenten den von Pleiten, Pech und
Pannen begleiteten Start der Anmeldefrist für die allgemeine
Krankenversicherung vergessen zu machen. Dabei wäre das ihre beste
Chance gewesen, »Obamacare« um ein paar Monate zu verschieben. Trotz
des politischen K.o.-Siegs den der ehemalige Profiboxer Harry Reid
als Senatsführer an der Seite des Präsidenten erzielt hat, gibt es
insgesamt wenig Grund, die Korken knallen zu lassen. Nüchtern
betrachtet kam auch für die Demokraten aus dem Kräftemessen nicht
viel mehr heraus als eine Verschnaufpause bis Mitte Januar.

Unbelehrbar rüsten die Tea-Party-Radikalen schon zur nächsten
Schlacht. Wild entschlossen nutzen sie dabei immer wieder die
Schwachstelle des politischen Systems der USA, das sich als nicht so
genial beweist, wie gemeinhin angenommen. Die Verfassung mag vor
einer Diktatur der Mehrheit schützen, aber nicht vor einer Tyrannei
der Minderheit.

Genau darauf haben sich die Rechtspopulisten spezialisiert. Weil
sie im Land insgesamt nicht mehrheitsfähig sind, versuchen sie
Politik mit der Brechstange. Wer sich ihnen in den Weg stellt, muss
damit rechnen, zu den Opfern der nächsten parteiinternen
Säuberungswelle bei den Vorwahlen im Frühjahr zu gehören. Das
Ergebnis wäre mehr Dysfunktionalität, weil die von den
Verfassungsvätern erdachte geteilte Regierung Kompromisse
voraussetzt.

Wenn der Pulverdampf verzogen ist, dürfte klar werden, dass sie
nur Verlierer zurücklässt. Allen voran das Ansehen der Supermacht,
für die es beim nächsten Tanz auf der Fiskalklippe vielleicht kein
Halten mehr gibt

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