Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes
(DKSB), Heinz Hilgers aus Dormagen, kritisiert die Entschließung des
Bundestages zur rituellen Beschneidung. »Das ging mir viel zu
schnell. Hier wäre ein Moratorium angebracht gewesen«, sagte Hilgers
dem WESTFALEN-BLATT (Samstagsausgabe). Es habe keinen Grund gegeben,
sich bei einem Thema, über das vor vier Wochen noch niemand
gesprochen habe, so übereilt festzulegen. Die Aufregung auf beiden
Seiten sei völlig unangemessen.
Der Bundestag hatte eine Resolution mit dem Ziel verabschiedet,
die rituelle Beschneidung möglichst schnell per Gesetz zu erlauben.
»Wir sind weit davon entfernt, alle Argumente für und gegen ein
Beschneidungsverbot ausgetauscht zu haben«, sagte der Vater dreier
Söhne, der dem Kinderschutzbund seit 19 Jahren vorsteht. Die vielen
offenen Fragen seien auch der Grund, warum sich der DKSB noch keine
Meinung gebildet habe. »Vielleicht gelingt uns das ja auf unserer
Bundesvorstandssitzung im September«, sagte Hilgers.
Es gebe im Kinderschutzbund Verfechter beider Lager. »Ich kenne
etwa einen Kinderarzt, der sich mit großem Engagement gegen die
Beschneidung einsetzt.« Andererseits seien dem Kinderschutzbund noch
keine wissenschaftlichen Forschungen bekanntgeworden, die negative
Auswirkungen der Beschneidung beschrieben. »Das heißt nicht, dass es
solche Forschungen nicht gibt. Aber wir kennen sie eben noch nicht.
Das Thema ist neu für uns.« Bei der Meinungsbildung seien auch die
Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu
berücksichtigen, die sich insbesondere in Entwicklungsländern für
eine Beschneidung von Jungen ausspreche. »Nach Angaben der WHO sinkt
das Aids-Risiko auf ein Sechstel«, sagte der 64-Jährige. Grund sei
offenbar die Verhornung der Eichel, so dass sich Viren dort nicht
mehr so gut festsetzen könnten.
In dem Vorschlag, die Beschneidung in ein Alter zu verschieben, in
dem Jungen selbst entscheiden können, sieht Hilgers keine schnelle
Lösung: »In Schweden etwa ist es verboten, Jungen nach dem zweiten
Monat zu beschneiden, weil dann wohl mehr Komplikationen zu erwarten
sind.«
Zu einer am Freitag angekündigten Petition von Beschneidungsgegnern
sagte der Kinderschützer: »Die Initiatoren haben mich gefragt, ob ich
mich anschließe, aber das konnte ich nicht, weil mein Standpunkt noch
nicht feststeht.« Der Bund Deutscher Kriminalbeamter, der
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Kinderhilfe
und mehrere Privatpersonen wollen mit einer Online-Petition
erreichen, dass der Bundestag in den nächsten zwei Jahren die
Beschneidung nicht legalisiert. Das Thema soll erst an einem Runden
Tisch mit Religionsvertretern, Ärzten, Psychologen und weiteren
Experten diskutieren werden. Georg Ehrmann (Deutsche Kinderhilfe):
»Die Bundestagsverwaltung stellt unsere Petition im August ins
Internet. Wir brauchen 50 000 Stimmen, um eine Anhörung unserer
Argumente im Parlament zu erreichen.«
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Andreas Kolesch
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