Juden: Traum nach Normalität wird kein Traum bleiben! ZMJ widerspricht Knobloch.

Jüdisches Leben in Deutschland ist so bunt wie lange nicht.
 
Charlotte Knobloch ist eine der ehrenwertesten Vertreterinnen des Judentums in Deutschland und eine großartige Frau. Die tapfere und mutige Holocaust-Überlebende war vier Jahre Präsidentin des Zentralrats der Juden (ZdJ) und bekleidet Ämter, in denen sie Gutes tut. Nun äußerte sich die hoch geachtete Vertreterin des Judentums in Deutschland befremdlich pessimistisch über Deutschlands Zukunft. Sie habe einen Traum von Normalität gehabt, doch dieser werde ein Traum bleiben. Der Judenhass wachse, viele würden die Juden für Corona verantwortlich gemacht, so die Neunachtzigjährige, der die Juden in Deutschland so viel zu verdanken haben.

Allerdings hat der Zentralrat der freigemeindlichen, gemeindefreien und messianischen Juden in Deutschland, Österreich und der Schweiz (ZMJ) eine gänzlich andere, erheblich optimistischere Sichtweise. Zwar nimmt die Zahl der in klassischen Gemeinden organisierten und vom ZdJ repräsentierten Juden stetig ab, doch ist dies ein Phänomen, das auch die katholische wie die evangelische Kirche zu ertragen haben. Es ist ein allgemeiner Trend, kein spezifisch jüdischer.

Vergessen wir nicht: 1989 lebten gerade ein einmal gut 15.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland. Dank der Einladung an postsowjetische Juden nach Deutschland ab 1990 schnellte diese Zahl auf fast 300.000 und liegt immer noch stabil in dieser Größenordnung. Man lud Jüdinnen und Juden ein, doch es kamen Menschen, die nicht in die hiesigen jüdischen Traditionen lautlos hineinglitten.

Es kam zu innerjüdischen Spannungen, die sicherlich nicht erfreulich sind. Es muss für die etablierten Gemeinden ein Schock gewesen sein, dass auf einmal freie jüdische Gemeinden aus dem Boden schossen, jüdischen Hauskreise und Gebetsgruppen, sehr viele weltliche Juden und auch theologisch spannende Minderheiten wie die messianischen Juden. Das jüdische Leben in Deutschland ist heute bunter denn je, und das ist auch gut so. Nichts schützt besser als Diversity.

In der Tat ist es traurig und bedrückend zu erleben, wie die großen Synagogen ohne permanenten Polizeischutz nicht sicher sind. Andererseits steht vor den Gebetshäusern unserer freien und oft kleinen Mitgliedsgemeinden, von konservativ über liberal bis hin zu jüdischen Minderheiten nie auch nur ein Wachmann. Und bis jetzt sind, Gott sei es gedankt, auch keine Schutzmaßnahmen nötig gewesen.

Wir haben daher größten Respekt und aufrichtige Sympathie für Frau Präsidentin des ZdJ a.D. Knobloch. Wir wünschen Ihr alles Liebe, Gesundheit und ein langes Leben – auf das sie vielleicht doch noch erkennt, wie wunderbar lebendig jüdisches Leben im Deutschland des 2022 ist. Nicht traditionell, aber lebendig und voller engagierter Menschen. Auch dank ihr ganz persönlich.