KT, wie ihn seine Fans nennen, von denen er sehr
viele hat, lebte bislang davon, etwas Besonderes zu sein. Nicht
dieses von weiten Teilen des Volkes graumausige Berliner Mittelmaß
aus Kompromiss und Halbwahrheit, sondern ein adliger
Seiteneinsteiger, ein Mann, der aus dem heimatlichen Schloss
herabstieg in die profane Berliner Volksvertretung, um ihr sein Licht
zu leihen. Guttenberg lebte von seiner sissihaften Einmaligkeit. Nun
stirbt er daran. Abgeschrieben habe ich doch auch, werden viele
unserer Leser sagen. Das stimmt ja auch. Aber wohl niemand, der das
sagt, wird dabei zugeben müssen, einen leibhaftigen Eid gebrochen zu
haben. Diesen Eid schwört jeder Kandidat vor der Abfassung seiner
Dissertation. Ihn zu brechen, ist die größtmögliche akademische
Sünde. Sie wurde begangen aus schnöden Marketing-Gründen: Dr. Strunz.
Nun ist der Mann nur noch Baron und dieses „nur“ ist dem Umstand
geschuldet, dass in Deutschland der Adel nach der Erfahrung mit
dessen Demokratie unverträglicher Dekadenz abgeschafft worden ist.
Lug und Trug ist das eine. Das andere ist diese unglaubliche
Überheblichkeit. Wie konnte Guttenberg glauben, damit durchzukommen,
nicht nur mit seiner Schein-Promotion, sondern auch mit einer
Rechtfertigung, die im Kern aus der arroganten Behauptung bestand:
Mir kann keener. Mit jedem Rettungsversuch ritt er sich tiefer
hinein. Zuletzt mit der Ankündigung, den Doktortitel zurückzugeben.
Auch das fällt in dieses Überheblichkeits-Muster. Guttenberg kann
diesen Titel gar nicht zurückgeben, nur die Universität kann ihn
aberkennen. Wie wird man so – nun ja, abgehoben? Ist es die
Sozialisation im Schloss, hoch über der Gemeinde, den Bürgern,
gelegen? Diese These scheint Guttenbergs Bruder zu bestätigen, der
bei der Würdigung KTs auf der Verleihung des Ordens wider den
tierischen Ernst gar nicht oft genug darauf hinweisen konnte, dass KT
doch ein normaler Mensch geblieben sei. Das tut einer nur, wenn
Zweifel daran erlaubt sind. Tatsächlich hat Guttenberg, der von
manchen ja noch für konservativ gehalten wird, gegen beinahe alles
verstoßen, was Konservativen an Moral- und Stilempfinden am Herzen
liegt. Fazit: Das Schicksal, dass nun Guttenberg droht, ist trübe.
Schrecklich für ihn und für uns. Kaiser ohne Kleider, verliert er
seine Einzigartigkeit, wird einer wie alle anderen. Und wir verlieren
eine Lichtgestalt. Haben sie schon verloren.
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