Für den Ehrenvorsitzenden der CSU ist die Sache
klar: Der politische Aschermittwoch hat nichts mit Folklore zu tun,
sondern ist zugespitzte politische Auseinandersetzung, sagt Edmund
Stoiber. Diese Behauptung klingt zunächst ebenso schräg, als wenn
jemand sagte: Die Lederhose ist in Bayern ein Importartikel. Wer aber
weiß, dass die Krachlederne oft genug in Asien produziert wird,
sollte über Stoibers Satz nachdenken. Der politische Aschermittwoch,
den die CSU als „größten Stammtisch der Welt“ bezeichnet, ist
freilich folkloristisch, die Stunde der groben Klötze und stumpfen
Keile: Laut, krachig, manchmal ein wenig dumpf. Aber zumindest hat
dieser Tag einen Vorteil: Im Vergleich zum aufziehenden Wahlkampf hat
er wenigstens einen unterhaltenden Faktor. Denn wer sich gestern
einmal die Mühe gemacht hat, zwischen den Zeilen zu lesen, der hat
leider nur Altbekanntes gefunden, vielleicht neu aufgewärmt, aber
doch so schal, dass nur der Geruch der Fischsemmeln verhindert hat,
dass es einem sofort in die Nase gestiegen wäre. Es ist die alte
Leier vom Kampf gegen den Sozialismus und das Betonen der Traditionen
auf der Seite der Konservativen versus dem Hohelied der sozialen
Gerechtigkeit und des „Zeit, das sich was dreht“ aufseiten von SPD
und Grünen. Wobei die Union hier einen entscheidenden Vorteil hat:
Wollen die Bürger denn, dass sich etwas ändert? Und wenn: In welche
Richtung? Es ist doch so: Deutschland steht inmitten allerorts
herrschender Krisen als Fels in der Brandung da. Und welche Person
die Wähler mit diesem Umstand in Verbindung bringen, wird jedes Mal
klar, wenn die beliebteste Politikerin gekürt wird: Es ist Angela
Merkel. Die Kanzlerin steht für Stabilität, Erfolg, Vertrauen. Und
mit ihr die Union insgesamt. Kein Wunder, dass CSU-Chef Horst
Seehofer gerne im Beiboot der CDU-Chefin sitzt. Ihr Erfolg im Bund
strahlt auf seine Partei mit ab. Und Seehofers CSU hat gestern
eindeutig unter Beweis gestellt, dass sie ebenfalls gelernt hat, auf
Tradition und Erfahrung zu setzen: In fast schon alberner Manier
hämmerten Seehofers Truppen dem Publikum die Dreieinigkeit aus Franz
Josef Strauß, Edmund Stoiber und dem aktuellen Ministerpräsidenten
und Parteichef ein. Dieses Triumvirat habe dafür gesorgt hat, dass
der Freistaat von allem linken Unbill bewahrt blieb und das wurde,
was er heute ist. Die SPD kann dagegen nicht konkurrieren. Kein
Wunder, dass sie damit begonnen hat, Negativwerbung für den
politischen Gegner zu machen. Ob das Modell „Drehhofer“, mit dem die
Prinzipienlosigkeit der Seehofer-CSU angeprangert werden soll, ein
Erfolgsmodell wird, muss bezweifelt werden. Immerhin haben es die
bayerischen Sozialdemokraten geschafft, die Christsozialen nervös zu
machen. Bester Beweis dafür sind die abfälligen Bemerkungen Seehofers
über die Kampagne. Bloß dürfte das alles einen Umstand nicht ändern:
Die direkte, echte politische Auseinandersetzung fehlt. Sie findet
nur in Surrogaten wie dem politischen Aschermittwoch oder den
abendlichen Politik-Talkshows statt, in denen nichts gesagt wird, was
nicht schon mindestens einmal gesagt oder geschrieben worden ist,
allerdings nicht von jedem. Das Fehlen der inhaltlichen politischen
Debatte mag vonseiten der Unionsparteien sogar gewollt sein, hat die
Wahl 2009 doch gezeigt, dass bei einem Einschläferungswahlkampf die
Konservativen eher Chancen auf den Sieg haben. Im Interesse der
politischen Meinungsbildung aber ist diese Art der Wahlkampfführung
nicht. Dabei hat der gestrige politische Aschermittwoch gezeigt, dass
sehr wohl das Potenzial für ein spannendes Wahljahr besteht: Sowohl
bei der SPD als auch bei der CSU herrschte volles Haus. Es gilt,
hieraus die richtige Schlussfolgerung zu ziehen: Polemisieren mag
nicht mehr Sache der heutigen Generation von Politikern sein. Aber
die Zuspitzung der politischen Auseinandersetzung ist das Einzige,
was uns vor einem weiteren Wahlkrampf retten kann.
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