Der Schriftsteller und frühere DDR-Bürgerrechtler
Lutz Rathenow hat seine Bereitschaft zur Übernahme des Amtes des
Sächsischen Stasi-Landesbeauftragten erklärt. In einem Interview mit
der „Leipziger Volkszeitung“ (Dienstag-Ausgabe) sagte Rathenow: „Ich
hätte vor, Wissenschaft, künstlerische Öffentlichkeitsarbeit und die
Lebensgeschichten der Opfer und der Oppositionellen sehr viel stärker
an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich möchte auch Brunnen bauen zu
anderen DDR-Geschichten.“ Rathenow, zu DDR-Zeiten unter anderem auch
Gründer und Leiter des Arbeitskreises Literatur in Jena bis zu dessen
Verbot, verwies auch darauf, dass er nach dem Mauer-Fall in vielen
Netzwerken diese Arbeit bereits gemacht habe.
Ende 2010 war Michael Beleites als Leiter der Behörde nach zehn
Jahren aus dem Amt geschieden. Die Neubesetzung der Stelle, für die
der FDP-Justizminister Jürgen Martens (FDP) das Vorschlagsrecht hat,
erwies sich bisher als schwierig. Die zuletzt als Kandidatin
gehandelte ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier ist, wie die
wesentlichen politisch Beteiligten versichern, aus dem Rennen. Zu
einer Gegenkandidatur in dieser Konstellation wäre Rathenow auch
nicht bereit gewesen, versicherte der Schriftsteller.
„Als ich gefragt wurde, habe ich mich sehr genau informiert.
Übereinstimmend wurde mir gesagt, und das nicht nur vom
Justizminister, Freya Klier ist keine Kandidatin, die auf der
Tagesordnung steht.“ Freya Klier sei „eine hervorragende Frau, die
wichtige und grandiose Dinge macht“. Sie mache beispielsweise sehr
gute Filme und dabei würde er sie gern unterstützen. „Ich sehe die
Situation nicht, dass ich gegen Freya Klier antreten müsste. Das
würde ich auch nicht“, stellte Rathenow klar.
Rathenow warb in dem Interview für eine Art flächendeckendes Netz
von Beauftragten mit Blick auf die DDR-Hinterlassenschaft. „Ganz
Deutschland braucht noch Beauftragte für die Folgen der DDR-Diktatur,
auch im Sinne einer Diktatur-Prävention. Wir reden über die
Gegenwart, wenn wir über die Vergangenheit reden.“ Dabei verwies er
auf die jüngsten Vorgänge in autoritären Staaten Arabiens. Was sich
dort abspiele, geschehe manchmal „auch unter Einbeziehung von
Geheimdiensten und Polizisten, die auch von DDR-Leuten ausgebildet
worden sind“, sagte Rathenow.
Rathenow sieht sich selbst als politisch über die Parteigrenzen
hinweg vermittelbar. „Ich wäre bereit.“ Vor vier Wochen sei er für
diese Aufgabe angefragt worden. „Es ist mir vier Wochen gelungen,
dies geheim zu halten. Damit habe ich hoffentlich meine
Politikfähigkeit bewiesen.“
In der DDR habe er sich „seit 1973 von einem normalen jungen
pubertären DDR-Bürger in einen Oppositionellen hineinentwickelt“.
Davon sei in 15 000 Seiten Stasiakten viel zu lesen. Vieles habe die
Staatssicherheit auch nicht erfahren. „Ich sehe mich nicht als Opfer.
Ich sehe mich als jemand, der die DDR einschneidend verändern wollte,
bis zu dem Zeitpunkt, wo er sie los werden wollte.“
Rathenow warb in dem Interview dafür, die Kompetenz des
Stasi-Landesbeauftragten nach dem Vorbild in Brandenburg in einen
Landesbeauftragten für DDR-Diktatur zu erweitern. „Meine Kompetenz
für diese Funktion, die im Sinne der Brandenburger Deutung erweitert
werden sollte in einen Landesbeauftragten für DDR-Diktatur, liegt in
einer wissenschaftlichen Ausbildung als Historiker. Sie liegt in
einer publizistisch journalistischen analytischen Auseinandersetzung
zu Zeiten der DDR und in den Zeiten danach.
Rathenow erklärte seine Bereitschaft, sich allen Fragen und
Klärungswünschen in allen Landtagsfraktionen zu stellen, abgesehen
von der NPD. „Es gibt Abgeordnete im Sächsischen Landtag, auf deren
Stimmen ich keinen Wert lege. Ich würde mich bei der NPD nicht
vorstellen. Bei allen anderen Parteien stehe ich zur Verfügung für
Diskussionen. Ich betrachte mich als überparteilich.“
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