Neues Deutschland: zur deutschen Atom-Debatte

Als sich in den 70er Jahren in Westdeutschland die
Auseinandersetzungen um die Atomkraft zuspitzten, fuhr die
Kernenergie-Lobby ein Totschlagargument auf: »Die Lichter gehen aus!«
Gut drei Jahrzehnte später gibt man sich weniger plump, aber die
Warnung vor eventuellen Stromlücken in Süddeutschland weist in eine
ähnliche Richtung. Die seit gestern tagende Töpfer-Kommission sollte
sich davon genauso wenig beeindrucken lassen wie einst die
AKW-Gegner. Zum einen ist die Behauptung des Branchenverbands der
Energiekonzerne, Atomstromimporte aus Frankreich sowie Tschechien
hätten zuletzt stark zugenommen, kaum überprüfbar. Zum anderen wären
etwaige Probleme in Baden-Württemberg und Bayern darauf
zurückzuführen, dass deren konservative Landesregierungen den Ausbau
der Erneuerbaren massiv behindert haben. Daher müsste die
Kommission ethisch begründen, warum aus der Merkel-Stanze von der
»Energiewende« ein Langfristkonzept mit konkreten politischen
Schritten werden muss. Und sie müsste sich entgegen ihrem Auftrag mit
der Frage beschäftigen, ob der Umstieg auf sauberen Strom und
Energieeffizienz mit dem bisherigen Wachstumsmodell der
Industriegesellschaften kompatibel wäre. Wie gesagt: Es geht um
langen Atem, nicht um Panikreaktionen. Eine Sofort-Stilllegung aller
AKW in Deutschland, die tatsächlich Versorgungsprobleme schaffen
dürfte, wäre da nur Wasser auf die Meiler der Atomlobby.

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