Unangenehme Fragen
Welch plötzliche Offenheit: Im Konflikt um die weitere Nutzung
beziehungsweise baldige Abschaltung der Atomkraftwerke kann sich
Angela Merkel, die vor wenigen Monaten noch eine Laufzeitverlängerung
durchgesetzt hat, jetzt sogar öffentliche Tagungen der
Ethikkommission vorstellen. Das erinnert an die Schlichtung im Streit
um das Bahnprojekt Stuttgart 21 und weckt Hoffnungen: Machen jetzt
neue Formen der Konfliktlösung Schule? Werden Bürger und Betroffene
künftig besser informiert und womöglich gar stärker an Entscheidungen
beteiligt?
Die Arbeit der Ethikkommission könnte ein Indiz für eine solche
Entwicklung sein. Für das hochkarätig besetzte Gremium spricht auch,
dass seine Mitglieder ein breites Meinungsspektrum abdecken, von eher
pragmatisch bis eindeutig kritisch gegenüber der Atomkraft. Für
Glaubwürdigkeit ist damit gesorgt. Dennoch sollte die Arbeit des
Expertengremiums nicht überbewertet werden.
Zwar kann der „Rat der Weisen“ wertvolle Ratschläge erteilen und
die verschiedenen Szenarien aufzeigen. Die Entscheidung liegt aber
unverändert bei der Politik. Sie muss letztlich definieren, welche
Restrisiken sie der Bevölkerung zumuten will und wie hoch der Preis
für eine Wende in der Energieversorgung sein soll. Das sind
unangenehme Fragen. Aber es ist überfällig, sie offen und ehrlich zu
beantworten. Die Zeit des Verdrängens und Schönredens ist hoffentlich
ein für alle Mal vorbei.
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