Westdeutsche Zeitung: Der Patient FDP ist noch nicht gerettet =
von Anja Clemens-Smicek

Als Mediziner weiß Philipp Rösler, dass auch
nach einer gelungenen Operation jederzeit Komplikationen auftreten
können. So darf zwar sein erster Eingriff am offenen Herzen der FDP
durchaus als gelungen bezeichnet werden. Ob der Patient aber
wiedererstarkt aus der Narkose erwacht, ist unsicher. Zumindest hat
der designierte Parteivorsitzende wenige Tage vor dem wohl
wichtigsten Parteitag in der Geschichte der FDP einen klaren Schnitt
angesetzt und mit Fraktionschefin Birgit Homburger eine liberale
Problem-Politikerin entfernt. Damit bringt Rösler seine Kritiker, die
ihm seine Zurückhaltung bereits als Führungsschwäche ausgelegt
hatten, vorerst zum Schweigen. Die Unruhe ist groß, hat sich doch der
angekündigte Wechsel an der Spitze bislang nicht positiv in den
Umfragen niedergeschlagen. Die FDP ist auf das Niveau einer
Splitterpartei abgestürzt. Rösler braucht also dringend Erfolge. Als
Verlierer der Personalrochade wäre er im Amt beschädigt gewesen, noch
bevor er dieses offiziell angetreten hätte. Es wird für ihn sowieso
schwer genug, der liberalen Basis den Aufbruch in erfolgreiche Zeiten
zu verkaufen. Immerhin sollte ein Generationenwechsel die
Wahlniederlagen vergessen machen. Aus diesem Grund hatte Guido
Westerwelle (Alter: 49) seinen Rückzug verkündet. Doch Rainer
Brüderle (Alter: 65), der jetzt als Homburger-Nachfolger die
Schalthebel der Partei-Macht übernimmt, geht selbst mit größtem
Wohlwollen nicht als „Boygroup“-Mitglied durch. Das Murren in der
Partei, die sich frische Kräfte an der Seite des neuen Frontmannes
wünscht, wird also nicht leiser werden. Dass Rösler mit Brüderle
einen Politiker recycelt, dessen Halbwertzeit nach einem verbalen
Atom-Gau eigentlich abgelaufen war, ist dennoch wohlkalkuliert. So
wird sein Weg frei, selbst als Wirtschaftsminister liberale Kompetenz
in die Koalition einzubringen. Zudem kann er mit Daniel Bahr einem
Gesundheitsexperten und engem Vertrauten das schwierigste Ressort des
Politikbetriebs anvertrauen. Ob das junge Trio Rösler, Bahr und
Generalsekretär Christian Lindner die Partei aus der Krise führt,
wird sich schon auf dem Parteitag zeigen. Risiken und Nebenwirkungen
jedenfalls sind nicht ausgeschlossen.

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