Die Partei, die sich selbst so gern bürgerlich
nennt, ist diesem Anspruch wenigstens bei der Verabschiedung ihres
Vorsitzenden gerecht geworden. Zehn Jahre hat Guido Westerwelle die
FDP geführt, sie sieben Jahre als Generalsekretär geprägt. Er hat die
Liberalen übernommen, als sie am Boden lagen und zum besten Ergebnis
ihrer Geschichte bei einer Bundestagswahl geführt. Dafür sind die
Delegierten auf dem Rostocker Parteitag aufgestanden, dafür haben sie
ihm minutenlang applaudiert. Die Männer und Frauen, die Westerwelle
in ihrer großen Mehrheit Mandate, Ämter und Funktionen verdanken,
haben ihm den Respekt für fast zwei Dekaden aufopferungsvoller Arbeit
bekundet. Der Abschied ist also anständig gelungen. Das war nicht
selbstverständlich. Denn seit die FDP in die Bundesregierung
eingetreten ist, hat der begabte und bis dahin so erfolgreiche
Oppositionspolitiker außergewöhnlich viele Fehler gemacht. Die
begannen bei der Aushandlung des Koalitionsvertrages, der eher zum
naiven Glaubensbekenntnis geriet – zu einer von Westerwelle einseitig
gewünschten geistig-politischen Wende – denn zu einer tauglichen
Handlungsanweisung gemeinsamen Regierens dreier unterschiedlicher
Partner. Sie endeten bei seiner Libyenpolitik, mit der er die
Bundesrepublik im westlichen Bündnis isolierte. Deshalb gab und gibt
es viele in der FDP, die sagen: Es reicht nicht, dass Westerwelle das
Amt des Vorsitzenden aufgibt. Er muss auch auf das Auswärtige Amt
verzichten. Doch in Rostock sucht die Partei Harmonie.
Personaldebatten hat die FDP erschöpfend geführt. Alle Umfragen
belegen, dass die Bürger dieser Selbstbespiegelung der liberalen
Kaste überdrüssig sind. Der noch bis Sonntag währende Parteitag
sollte deshalb der inhaltlichen Selbstvergewisserung dienen, der
gründlichen Debatte über die Frage, für welche politischen Ziele die
Freidemokraten künftig kämpfen wollen. Und die Delegierten sollten
darüber reden, wie sie diese Ziele gegenüber den Koalitionspartnern
von der Union erfolgreicher als bisher durchsetzen können. Beschworen
wurde die Plattitüde von einem notwendigen Neuanfang oft genug –
jetzt muss er realisiert werden. Das ist die Aufgabe von Philipp
Rösler. Und der neue Parteichef hat angedeutet, dass er dem Projekt
gewachsen ist. Er markierte mit der Ablösung Westerwelles von der
FDP-Spitze eine nach außen sichtbare Zäsur, ermöglichte seinem
Vorgänger einen würdigen Abgang und bewies damit ein intaktes Gespür
für die Bedeutung von Werten in einer bürgerlichen Partei. Er hat das
Regierungspersonal rotieren lassen und sich selbst in das Amt des
Wirtschaftsministers gehievt. Nun wird er zeigen müssen, dass er
einen über die Machtübernahme hinausreichenden politischen Plan hat
und dafür die notwendigen Mehrheiten organisieren kann, in der Partei
wie in der Regierung. Sollte Westerwelle ihm dabei entgegen seinem
Versprechen ins Lenkrad greifen, muss er wissen: Dankbarkeit ist
endlich. Eines bedeutet der Verlauf des Parteitages nämlich
keineswegs: Dass der Außenminister seinen Job bis zum Ende der
Legislaturperiode sicher hat.
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