Südwest Presse: KOMMENTAR · HOCHSCHULEN

Traurige Tradition

Überraschend ist der Massenansturm auf die Studienplätze der
Hochschulen zu diesem Wintersemester nicht. Ein deutliches Plus an
Studienanfängern im Vergleich zum Vorjahr war erwartet worden auf
Grund geburtenstarker Jahrgänge, der Aussetzung der Wehrpflicht, der
doppelten Abiturjahrgänge in Bayern und Niedersachsen. Mit 455 000
Erstsemestern in diesem Studienjahr hatte die Politik bislang
gerechnet. Es werden aber wohl 500 000 sein. Eine Fehleinschätzung,
die leider auch keine Überraschung ist, sondern in einer traurigen
Tradition steht. So sollten die Hochschulen im von Bund und Ländern
beschlossenen Hochschulpakt I in den Studienjahren 2007 bis 2010
zusätzliche 91 000 Studienanfänger aufnehmen – in der Realität
mussten die Hochschulen mit 182 000 fertig werden. Solche Prognosen
kommen vor allem zustande, weil belastbare Zahlen oft fehlen, dem
Bund zum Beispiel keine genauen Angaben über das Verhältnis von
Angebot und Nachfrage in den Studiengängen vorliegen. Ein Skandal
ist, dass trotz vorhersehbaren Ansturms ein zentrales
Studienplatzvergabesystem für alle lokal zulassungsbeschränkten
Studiengänge immer noch fehlt. Eigentlich sollte es längst
existieren. So bewerben sich die Abiturienten weiter bei mehreren
Hochschulen parallel. Die Folge: Letztere werden mit Bewerbungen
überschwemmt und wissen bis zum Semesterbeginn nicht, wie viele
Erstsemester sie haben werden.

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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