Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Berlusconi tritt ab – Experten sollen regieren Italienische Mahnungen THOMAS SEIM

Der „Cavaliere“ ist abgetreten. Und das ist auch
gut so. Schon seit langem mehren sich die Zweifel zur Gewissheit,
dass der neue Ex-Ministerpräsident Italiens, Silvio Berlusconi, alles
andere als ein „Ritter“ ist. Eine Affäre jagte die andere, ein
Skandal den nächsten. Ob es um Unzucht mit minderjährigen
Prostituierten oder den Verdacht von Steuerhinterziehung und
Machtmissbrauch ging – stets gefiel sich Berlusconi in der Rolle des
machtversessenen und -besessenen Führers. Dass er abtritt, kann und
muss man nur begrüßen. Sein Nachfolger ist ein ehrenwerter Mann.
Mario Monti hat seine Qualifikation als exzellenter
Wettbewerbskommissar der EU bewiesen, nicht zuletzt bei dem Rückbau
der WestLB. Monti ist Experte durch und durch. Gerade deshalb
allerdings muss man sehr nachdenklich werden. Wenn Politik versagt
und die Arbeit auf Experten schiebt, wachsen die Risiken der
Demokratie. Das ist eine Lehre aus der Wirtschaftskrise Ende der
1920-er Jahre und den damaligen „Präsidialkabinetten“ und
„Präsidialen Fachkabinetten“. Dass wir derzeit einen Trend zu
Expertenkabinetten wie jetzt in Italien erleben, ist auch heute nicht
ohne Risiko. Das sehen wir bei dem Gezerre zwischen links und rechts
in Griechenland. Und auch die deutsche Regierung hat – leider – der
Versuchung nicht widerstanden, ein Geheimgremium zu berufen, dass sie
unter Ausschaltung des Bundestagsplenums zur Übernahme weiterer
Euro-Risiken ermächtigen sollte. Es ist gut und richtig, dass das
Bundesverfassungsgericht dies einstweilen gestoppt hat. Was immer bei
der Neu-Aufstellung des Euro nötig wird – es muss auf Entscheidungen
von demokratisch legitimierten Politikern beruhen. Experten dürfen
und können nur Rat geben. Darauf müssen Europas Demokraten jetzt
achten. Auch das gehört zu den italienischen Lehren.

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