»Die Frau ist klein und schmächtig«, hieß es
hinter vorgehaltener Hand in der Synode der Evangelischen Kirche von
Westfalen. »Wie will sie sich durchsetzen gegen die beiden starken
Vizepräsidenten – ganz zu schweigen von dem übrigen Apparat des
Landeskirchenamtes in Bielefeld?« Auch die Siegener Superintendentin
Annette Kurschus (48) hatte dieses Getuschel vernommen und gab noch
vor ihrer Wahl zur neuen Präses der westfälischen Landeskirche eine
Antwort und zugleich ein Versprechen. So verwies auf die Postkarte
mit dem kleinen Vogel, der triumphierend ruft: »Ich kann Karate!«
sowie auf das Gegenstück, die Postkarte mit dem Elefanten, der
schreit: »Ich kann Mikado!« Und Kurschus versprach nach dieser
eindeutigen Antwort: »Ich werde keine Karate-Feldzüge gegen mächtige
Elefanten führen.« Sicherlich ist Kurschus klein und schmächtig, vor
allem wenn sie neben dem jetzigen Präses Alfred Buß steht, der im
März 2012 in den Ruhestand geht. Doch von ihrer inneren Größe hier
braucht sich die neue Präses hinter dem großen und kräftigen Buß
nicht zu verstecken. Für Kurschus ist die Kirche ausdrücklich keine
Werte-Agentur – so, wie für Alfred Buß die Kirche kein Fan-Club
gleichgesinnter Menschen ist. Kirche ist weitaus mehr, Kirche bewegt
weitaus mehr, Kirche definiert sich allein durch Gottes Wort.
Kurschus spricht von Volkskirche. Aber der Glaube ist für die neue
Präses nicht die gültige Eintrittskarte für Kirche. Christlicher
Glaube in der Nachfolge von Jesus Christus ist für Kurschus ein
Angebot. Jeder Mensch entscheidet, ob er es annimmt oder nicht. Der
Glaube darf niemandem übergestülpt werden. Er muss von innen kommen.
Sonst lässt man besser die Finger davon. Kurschus hat Recht, wenn sie
sagt: »Es ist keineswegs unsere Aufgabe, für alle persönlichen Fragen
des Lebens die passenden Antworten zu wissen – und es ist ebenso
wenig unser Auftrag, für jedes politische Problem die richtige
ethische Handlungsweise vorzugeben oder den korrekten Standpunkt.«
Grundsätzlich hat Kirche nach Meinung von Kurschus einen
hochpolitischen Auftrag, der die Kirche eindeutig an die Seite der
Armen und Benachteiligten stellt; der die Kirche in die Verantwortung
nimmt für Gerechtigkeit und Frieden vor der eigenen Tür und in der
weiten Welt. Ein Auftrag, der der Kirche die aktive Sorge ins
Stammbuch schreibt für eine Erde, die bewohnbar bleibt und auf der
auch unsere Kinder und Kindeskinder noch gut und gerne leben können.
Dies glasklare Ansage von Kurschus lässt den Schluss zu, dass die
Evangelische Kirche von Westfalen nach achtjähriger Amtszeit von
Präses Alfred Buß weiter auf einem guten Weg ist. Bereits bei seiner
Wahl hatte Buß erklärt, dass Kirche kein Abbruch-, sondern ein
Aufbruchunternehmen ist. Und für Aufbruch steht auch die neue Präses.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261