„It–s showtime!“ Mit diesen Worten, so will es die
Legende, versetzte sich Bill Clinton einst in Darstellungslaune, just
in der Sekunde, als sich die Tür der „Air Force One“ öffnete. Grinsen
auf Knopfdruck. Der frühere US-Präsident war ein Meister des
politischen Schauspiels; von Drama bis Soap hatte der
Hobby-Saxofonist alle Rollen drauf. Und die Menschen glaubten ihm.
Der Brite Tony Blair, mit Gitarre, und später Gerhard Schröder, mit
Fußball und Zigarre, waren gelehrige Schüler, die mit natürlichem
Charme und eiskaltem Gespür fürs Inszenatorische auf Menschenfang
gingen. Auch das sehr Private gehörte zum darstellerischen
Gesamtkunstwerk. Joschka Fischer wiederum führte Wahlkampf in
Laufschuhen, um Ausdauer und Leistungswillen zu illustrieren. Ganze
Stäbe mühten sich, Kulissen für heroische Bilder zu basteln,
Medienberater mühten sich, auch klebrig weichen Zeitgenossen eine Art
Profil zu verpassen. Ob Koch, Stoiber oder Clement – alle gehorchten
den Regeln der Castingshow. Dann kam Merkel. Das Gegenteil.
Öffentlich kantig, das Lächeln angestrengt, Privates blieb privat.
Dieses Modell ersetzte landesweit die Showtruppe. Ob Kretschmann,
Scholz, Kraft und die Ost-Ministerpräsidenten allesamt – sie gewannen
Wahlen ohne viel Hollywood. Weil der Typus des unspektakulären
Regierbeamten zur Krise passte, machten die Wähler den Schwung vom
Entertainer zur protestantischen Bescheidenheit durchaus erleichtert
mit. Zu viel Show hat sich irgendwann verbraucht. Zu viel No-Show
allerdings auch. Geradezu begierig werden die Shows zweier Kandidaten
verfolgt, die wieder mit der alten Masche kommen. Beide schöpfen aus
der Tradition: der eine mithilfe des Denkmals Helmut Schmidt, der
andere aus 800 Jahren Familiengeschichte. So unterschiedlich Peer
Steinbrück und der Freiherr zu Guttenberg sein mögen – das
Darstellerische, Symbolische und dramaturgisch Berechnete
kennzeichnet den Auftritt von beiden. Schwingt das Pendel des
öffentlichen Interesses gleichsam naturgesetzlich zurück? Folgt auf
eine Phase quälend unaufgeregten Macht-Organisierens automatisch eine
Generation von Unterhaltungspolitikern, die wieder auf Gefühle statt
Programm setzen? Das muss sich noch zeigen. Zur Zeit von Clinton,
Blair und Schröder galt des Altkanzlers Maxime, dass „,Bild–, ,BamS–
und Glotze“ genügten, die Öffentlichkeit zu beherrschen. In der neuen
Ära der Volldigitalisierung allerdings reichen hübsche Bilder nicht,
im Gegenteil. Wer Sachlichkeit durch Emotion ersetzt, riskiert
Eskalationen, verbunden mit Kontrollverlust. Das Schicksal des
früheren Verteidigungsministers Guttenberg zeigt, dass selbst mit
medialer Hilfe eine empörungsfrohe Öffentlichkeit nicht zu beruhigen
ist. Explosionsartig anschwellende Hysterien, ob Stuttgart 21 oder
Fukushima, bedürfen eher des Ruhepols als der Drama-Queen. Die
Bundestagswahl 2013 und der Weg dorthin werden, wie immer, auch eine
Abstimmung über Stile, die selten so weit auseinanderlagen wie
derzeit. Am Ende geht es nur um die rare Ressource Vertrauen.
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