Man muss ihm das vorhalten, erst recht nach gestern:
Christian Wulff bedauert gerne, oft und aufrichtig. Aber immer erst
hinterher. Er hat bedauert, dass er sich im Flugzeug in die erste
Klasse setzen ließ – als die Sache rauskam. Er hat bedauert, dass er
den niedersächsischen Landtag täuschte – als die Täuschung
aufgeflogen war. Er hat verstanden, dass sein Urlaub in der Villa
eines Supermillionärs nicht gut ankam – als er zurück war. Und nun
erklärt er mit treuherzigem Blick, dass ihm sein Ausraster gegenüber
Journalisten aufrecht leid tut. Nun verspricht er völlige Transparenz
und erklärt sich, Gipfel der Heuchelei, flugs noch zum Vorbild für
künftige Präsidentengenerationen.
Das ist allzu glitschig, das ist aalglatt. Den
Rücktrittsforderungen mag sich Wulff für den Augenblick damit
entwunden haben. Weiteren Recherchen nicht. Wehe, da kommt noch was.
Der Ansehensverlust bei den Bürgern ist ohnehin da und wiegt schwer.
Es ist die eigentliche Aufgabe des Bundespräsidenten, durch die Macht
des Wortes und des eigenen Vorbildes die Akzeptanz in die
Institutionen des Staates zu festigen. Wie aber soll das gehen, wenn
der Amtsinhaber als Schnorrer, Heuchler und Täuscher angesehen wird?
Wenn er in den Internetforen zur Schießbudenfigur geschrumpft ist und
ihn auch die Elite des Landes nicht mehr achtet? Bei der nächsten
„großen“ Rede dieses Präsidenten, zu welchem Thema auch immer, werden
sie alle innerlich grienen, die im Saal und die an den Bildschirmen
draußen. Wulff wird lange brauchen, um dieses Image wieder
wegzureden. Aber er weiß ja nicht einmal, worüber er reden soll.
Das ist nämlich das andere, womöglich viel größere Problem mit
diesem Präsidenten. Er weiß auch nach eineinhalb Jahren noch nicht,
was er eigentlich mit dem Amt will. Er ließ intern an einer Agenda
arbeiten, aber wurde nie damit fertig, er begann Themen anzustoßen,
ohne je mehr als ein Stichwort zu setzen. Aber zu jenen Fragen, die
die Menschen bewegten, rechter Terror, Eurokrise, Atom, äußerte er
sich nicht, zu spät oder zu zaghaft. Dieser Bundespräsident Christian
Wulff, der doch Orientierung geben soll, war orientierungslos, ehe er
jetzt auch noch sein Ansehen verlor. Er ist ein Kaiser ohne Kleider,
den nun das Amt vor dem politischen Totalabsturz schützen muss. Dafür
es eigentlich nicht da.
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Trierischer Volksfreund
Thomas Zeller
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