WAZ: Zivilcourage statt Bequemlichkeit. Kommentar von Frank Preuß

Wenn ein Busfahrer sich mit einer Zeitungsanzeige
bei seinen Fahrgästen bedankt, weil sie eine gefährliche Situation
entschärft und ihm damit geholfen haben, dann zeigt das, wie weit wir
gekommen sind. Ist es schon so außergewöhnlich geworden, bedrohten
Menschen beizustehen? Dann stimmt etwas nicht in unserer
Gesellschaft. Natürlich darf Zivilcourage kein Himmelfahrtskommando
sein. Niemand erwartet, dass man sich selbst überschätzt,
unkalkulierbare Risiken eingeht. Aber oft genug geht es ja gar nicht
um die Überwindung der eigenen Angst, sondern nur um den Widerstand
gegen die eigene Bequemlichkeit. Wenn in Duisburg eine 85-jährige
Frau den Angriff auf ein kleines Kind verhindert, welche Argumente
hätte ein 40-jähriger Mann, sich nicht einzumischen? Wenn sich
Fahrgäste in einem Bus solidarisieren, so wie es jetzt geschehen ist,
dann ist das ein Musterbeispiel für Zivilcourage, die auch noch von
Erfolg gekrönt ist. Es wird nicht die letzte Gelegenheit gewesen
sein, in der man so verfahren sollte. Sich hinterher wegen des
eigenen Versagens zu schämen, hilft niemandem. Und Gleichgültigkeit
ist ein gefährlicher Bazillus: Es kommt der Augenblick, wo die
Gleichgültigkeit der Anderen für einen selbst zur Gefahr wird.

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 – 804 6519
zentralredaktion@waz.de