Rheinische Post: Netanjahus Coup

Man mag von Benjamin Netanjahu halten, was man
will – man sollte ihn auf keinen Fall unterschätzen. Dass dem
ausgefuchsten Strippenzieher der Macht in Israels Politik niemand das
Wasser reichen kann, hat er jetzt wieder einmal eindrucksvoll
bewiesen. Natürlich ist sein Manöver – erst einen Termin für
vorgezogene Neuwahlen ausrufen und dann über Nacht mal eben schnell
eine große Koalition zimmern – nicht gerade ein Musterbeispiel für
transparente Politik. Aber wichtig sind angesichts der angespannten
Lage im Nahen Osten jetzt weniger Stilfragen als vielmehr die
Aussichten auf eine stabile israelische Regierung. Und sie sind seit
gestern deutlich gewachsen. Die heillose Zersplitterung der Knesset
und der daraus resultierende Einfluss von radikalen Mini-Parteien ist
ein ständiges Handicap für jeden israelischen Regierungschef. Nun
gibt es eine Koalition, die so breit ist wie seit einem
Vierteljahrhundert nicht mehr – die Gelegenheit, endlich wichtige
Entscheidungen zu treffen. Dabei geht es um innenpolitische Fragen,
aber auch um Krieg und Frieden: die Gespräche mit den Palästinensern
und den drohenden Konflikt mit dem Iran. Jetzt muss Netanjahu zeigen,
dass er mehr kann, als nur seine Macht sichern.

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621