Bislang konnte man sich in Berlin zur Beruhigung
Folgendes einreden. Ist doch ganz gut, dass der neue
Hauptstadtflughafen nicht am 3. Juni 2012 eröffnet wurde. Mutmaßlich
hätten wir mit Betriebschaos nur neue Maßstäbe in der
Pannengeschichte internationaler Flughäfen gesetzt. Gefreut hätte es
nur die Briten. Mussten sie doch 2008 viel Spott über sich ergehen
lassen, als an einem 5,6 Milliarden Euro teuren neuen Terminal in
London-Heathrow das Transportband den Dienst verweigerte. Zum Glück
blieb Berlin vergleichbares Chaos am BER durch die Terminabsage
erspart. Denn nach allem, was man jetzt weiß, waren die
Vitalfunktionen eines Airports nicht gewährleistet. Es hakte ja nicht
nur beim Brandschutz und der Entrauchung, sondern auch beim
Abfertigen von Mensch und Gepäck. Berlin, so konnte man das bislang
sehen, hat sich mit der Terminabsage zwar blamiert. Eine noch größere
Blamage wurde damit allerdings verhindert. Diese Sichtweise gilt
spätestens seit diesem Dienstag nicht mehr. Im Grunde glaubt niemand
mehr, dass der BER am 17. März 2013 in Betrieb gehen wird. Viel
wahrscheinlicher sind Mai oder Oktober. Seit Flughafenchef Rainer
Schwarz Anfang Mai kleinlaut das Scheitern des Juni-Termins einräumen
musste, wurde eifrig an der Pannengeschichte weitergeschrieben. Es
fing schon mit der Verkündung des neuen Termins an. Offenbar wurde
der 17. März 2013 vor allem deswegen gewählt, weil man so
Schadenersatzansprüche von Flughafenmietern abwehren kann. Wer
Termine danach setzt und nicht nach den Erfordernissen des überaus
komplexen Baus, beraubt sich der Chancen, die eine Zäsur bietet.
Stattdessen stecken nun Gesellschafter, Planer und ausführende Firmen
wieder in einem unangenehm zwickenden Zeitkorsett. Zwar wurde den
Planungsbüros, die Fehler gemacht haben, gekündigt. Bis heute gibt es
jedoch zu wenig Kaufleute, Bauingenieure und Architekten, die diese
Arbeit fortführen. Baufirmen berichten von Stapeln unerledigter
Mappen und verdächtiger Ruhe auf der Baustelle. Spätestens jetzt muss
über die Verantwortung von Personen und die Rolle der Bauherren
gesprochen werden. Die Länder Berlin, Brandenburg – repräsentiert
durch die Regierungschefs Klaus Wowereit und Matthias Platzeck –
sowie der Bund geben ein unwürdiges Bild ab. Der frühere Chefplaner
Manfred Körtgen wurde entfernt. Flughafenchef Schwarz konnte bleiben,
angeblich, weil sein Wissen unverzichtbar ist. Bislang hat er die
Gnade, die ihm gewährt wurde, nicht gerechtfertigt. Der neue
Chefplaner, Horst Amann aus Frankfurt, wurde bereits in seinen ersten
zwei Dienstwochen bloßgestellt. Eigentlich wollte man ihn den Termin
für die Flughafeneröffnung verkünden lassen. Vorgesehen ist dafür die
übernächste Aufsichtsratssitzung am 14. September. Durch gezielte
Indiskretionen aus dem Kreis der Gesellschafter hat sich das nun
erledigt. Spätestens jetzt weiß Amann, auf was er sich da eingelassen
hat. Mit solchen Bauherren möchte keiner ein Großprojekt durchziehen
müssen.
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