Neue OZ: Kommentar zu Rostock-Lichtenhagen

Ostdeutschland bleibt leider weiß

Der Horror der Pogrome von Rostock-Lichtenhagen rüttelte vor 20
Jahren Politik und Gesellschaft in Deutschland wach: Nie wieder
sollte sich diese hässliche Fratze des Rechtsextremismus zeigen.
Inzwischen ist die Zivilgesellschaft stärker, der Hass auf Ausländer
weniger salonfähig geworden, Polizei und Behörden besser geschult.

Aber das auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene Erreichte ist
stetiger Bedrohung ausgesetzt. Die Strategie der Rechtsextremen hat
sich gewandelt. Das zeigt auch die Mordserie der NSU-Terrorzelle.
Setzte die rechte Szene vor Jahrzehnten noch auf Pöbeleien einer
breiten Masse, die das krude Gedankengut auf die Straße trug, ist sie
heute straffer organisiert. In der Öffentlichkeit setzen sich
Neonazis in Nadelstreifen in Szene – die militanten Kräfte operieren
im Verborgenen. Um sie ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren, müssen
die Sicherheitsbehörden sich von Grund auf neu aufstellen.

Hinzu kommt die individuelle Erfahrung von Menschen anderer
Hautfarben als der weißen: Die Krawalle in Lichtenhagen haben sie
nachhaltig verängstigt. Noch immer traut sich nur eine verschwindend
geringe Minderheit in den Osten der Republik, obwohl Millionen von
ihnen in Deutschland leben. Und wenn, reisen sie oft lieber im
vermeintlich sicheren Auto als mit der Regionalbahn. Zur Bilanz zwei
Jahrzehnte nach Rostock-Lichtenhagen gehört bedauerlicherweise auch:
Ostdeutschland ist noch immer weiß.

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