Mittelbayerische Zeitung: Stratege Seehofer auf der Erfolgsspur Der CSU-Chef steht in Umfragen glänzend da. Er darf sogar von einer absoluten Mehrheit träumen. Leitartikel von Christine Schröpf

Horst Seehofer plant seine wichtigste Schlacht
mit beachtlichem Geschick. Offiziell ist der Wahlkampf längst nicht
eröffnet, doch hinter den Kulissen bringt der CSU-Chef seine Truppen
in Stellung und tüftelt am perfekten Timing fürs Projekt Machterhalt.
Dabei liegt er gut im Rennen. Ohne die CSU geht auch ab 2013 nichts,
vielleicht klappt–s sogar mit der absoluten Mehrheit. Der Aigner-Coup
ist ein wichtiges Puzzlestück. Der Wechsel der
Landwirtschaftsministerin von Berlin nach München hat den von
Seehofer erwünschten Doppeleffekt: Zum einen ist die beliebte
Oberbayerin wichtiger Stimmenmagnet – die Partei hatte dort 2008
schmerzhafte Verluste verkraften müssen. Zum anderen steigt mit
Aigner die Zahl der Direktkandidatinnen um ein Landtagsmandat. Der
niedrige Frauenanteil ist eine Achillesferse der Partei. Deutliche
Appelle Seehofers, das bei den Nominierungen im Blick zu behalten,
hatten wenig gefruchtet. Es müssten immer die aussichtsreichste
Bewerber nominiert werden, hieß es von den Männern. In der Oberpfalz
malte der Landtagsabgeordnete Otto Zeitler gar die Gefahr eines Lands
der Amazonen an die Wand, nachdem es die Ministerin und
Bezirksvorsitzende Emilia Müller wagte, nach dem Direktmandat zu
greifen. Man darf gespannt sein, wie der Streit ausgeht. Bei Aigner
zieht keine Verhinderungsstrategie. Seehofer hat also sein Ziel
erreicht – auch wenn in der Öffentlichkeit ein anderer Aspekt alles
überlagert: die Kronprinzessinnen-Frage. Der CSU-Chef ist zwar
mitnichten amtsmüde. Lustig zu beobachten war es dann aber doch, wie
die Nachfolger in spe Aigners Heimkehr kommentierten. Finanzminister
Markus Söder postete im sozialen Netzwerk Facebook ein gemeinsames
Bild, outete sich aber zugleich anderswo symbolträchtig als
politischer Langstreckenschwimmer. Sozialministerin Christine
Haderthauer begrüßte per Twitter die „Kronprinzessinnen-Kollegin“.
Wahlkampf kann auch amüsant sein. Für Seehofer bietet die
Titelverteidigung gerade weit mehr als Amüsement. Neue Umfragen
machen ihn zum Horst im Glück – auch wenn sich in den zwölf Monaten
bis zur Landtagswahl vieles ändern kann und von der CSU selbst in
Auftrag gegebene Meinungserhebungen kein Evangelium sind. Wichtiger
Faktor: Im direkten Vergleich übertrumpft Seehofer seinem
Herausforderer Christian Ude klar mit 54 zu 35 Prozent. Bei den
jungen Wählern schneidet Seehofer mit 63 Prozent Zustimmung sogar
noch besser ab. Der Amtsbonus spielt Seehofer in die Hände. Während
Ude gerade einen Marathon als Bierzeltredner absolviert, ist Seehofer
von Dienstwegen als Ministerpräsident pausenlos unterwegs. Als
Bundesratspräsident hat er international eine gute Figur gemacht.
Zuletzt traf er bei seiner schwierigsten Auslandsmission, der Reise
nach Israel, den richtigen Ton. Für die CSU ist trotzdem nicht alles
in sicheren Tüchern. Bei den Umfragen steckt der Teufel im Detail:
Die absolute Mehrheit, von der die Partei insgeheim träumt, wollen
die Wähler nicht. Auch das Kalkül der FDP geht nicht auf. Die
Liberalen gelten nicht als Wunschkorrektiv. Damit wird es für die
Partei noch schwerer, aus dem Umfragekeller zu klettern. Stattdessen
gefällt dem wundersamen Wähler am besten eine Große Koalition. Ein
Bündnis mit zwei Beteiligten, die gerade nach Kräften auf Distanz
gesetzt. Im September 2013 werden Fakten gesetzt. Bis dahin bleibt
Spielraum für politische Träume: In der CSU ist es der von der
absoluten Mehrheit, bei Rot-Grün der vom Machtwechsel.
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hegt die Hoffnung auf 15 Prozent.
Die FDP ersehnt die Wiederauferstehung, die Piraten das Kapern des
Landtags. Das macht Politik gerade so spannend, trotz einer CSU auf
der Erfolgsspur. Der gestählte Wahlkämpfer Seehofer weiß ohnehin:
auch dort können Überraschungen lauern.

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