Weser-Kurier: Zum Leipziger Kirchensteuer-Urteil schreibt der Bremer WESER-KURIER:

Es war mehr als eine juristische Spitzfindigkeit,
über die die Richter in Leipzig gestern urteilen mussten: Kann man
aus der katholischen Kirche als „Körperschaft des öffentlichen
Rechts“ austreten und trotzdem weiter Mitglied der
Glaubensgemeinschaft bleiben? Kann man nicht, sagen die Richter und
verweisen auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Die wiederum
hatte erst vor wenigen Tagen die Konsequenzen eines Austritts genau
geregelt: Eine Art halber Austritt, um Kirchensteuer zu sparen, ist
nicht möglich. Auf den ersten Blick scheint dies plausibel. Wer nicht
mehr zahlendes Mitglied ist, dem werden auch die Rechte verweigert.
Punktum. Die Richter können an dieser pragmatischen Sichtweise nichts
Anstößiges erkennen und haben sich ihr angeschlossen. Die für den
anderen Fall befürchtete Erschütterung des deutschen
Kirchensteuersystems ist damit ausgeblieben. Und auf den zweiten
Blick? Ist das Urteil immer noch logisch und nachvollziehbar. Es käme
wohl niemand auf die Idee, beim Eintritt in einen Verein oder eine
Partei gleich hinterherzuschieben, dass man bitteschön von
Mitgliedsbeiträgen verschont bleiben wolle. Natürlich unterscheidet
sich die Kirche von solchen Organisationen. Doch dass die –
freiwillige! – Mitgliedschaft auch Pflichten beinhaltet, kann kaum
verwundern. Ob das System des Steuereinzugs in Deutschland gerecht
und sinnvoll ist, ist dagegen eine ganz andere Frage. Genauso wie die
nach den innerkirchlichen Konsequenzen des Austritts. Die katholische
Kirche reagiert dabei rigider als die evangelische, aber wenigstens
sollen Abtrünnige auch hier nicht mehr wie bisher automatisch
exkommuniziert werden. Ein Schritt in die richtige Richtung. Und ob
die Ausgetretenen sich weiterhin als gläubig begreifen, sich als
katholisch oder evangelisch bezeichnen und sich einer
Religionsgemeinschaft zugehörig fühlen, steht sowieso nicht im
Ermessen der Kirche und des Klerus. Wie sagte schon der klagende
Kirchensteuer-Rebell Hartmut Zapp nach der Urteilsverkündung: „Es
gibt einen Höheren.“

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