Wolfgang Schäuble ist ein Mann, der seine Worte
für gewöhnlich wägt, bevor er seine Meinung in die Öffentlichkeit
trägt. Man muss davon ausgehen, dass auch das überraschende Interview
des Finanzministers zur Zukunft Europas alles andere als eine
spontane Idee war. Zwei Tage vor Beginn des EU-Gipfels hat Schäuble
vielmehr deutlich gemacht, dass der Umbau der Europäischen Union
endlich vorankommen muss. Es ist kaum anzunehmen, dass sich Schäubles
Forderungen nach knallharter Schuldenkontrolle und mehr
Handlungsfähigkeit für die Euro-Länder eche Chancen haben. Die
Vorstellung eines Währungskommissars, der die nationalen Parlamente
unter die Sparknute zwingen könnte, muss in Rom oder Madrid Entsetzen
erzeugen. Schäuble hat wohl eher das Verhandlungsfeld für Kanzlerin
Angela Merkel bereitet. Die kann beim EU-Gipfel seine
Maximalforderungen leicht wieder zurücknehmen und dafür im Gegenzug
Zugeständnisse bei Bankenaufsicht und Schuldenunion einfordern. Das
ist zwar Polit-Poker – aber so funktioniert nun einmal die
Euro-Diplomatie.
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