Südwest Presse: Kommentar zur NSU

Die Anklage gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche
Helfer steht – gerade ein Jahr nach Bekanntwerden der Mordserie der
rechtsextremen Terrorzelle NSU. Das Datum ist symbolträchtig gewählt
und so ist zu hoffen, dass das Tempo der für ein Verfahren dieser
Größe eher kurzen Vorbereitung nicht zulasten der Gründlichkeit
gegangen ist – schließlich ist der NSU-Komplex nicht zuletzt eine
Pannenserie der Sicherheitsbehörden. So wird der Prozess vor dem
Oberlandesgericht München mit ähnlich unrealistischen Erwartungen
überfrachtet sein wie das im Sommer zu Ende gegangene Verfahren gegen
die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker. Gefordert werden Signale
an Hinterbliebene und die Aufarbeitung staatlicher Versäumnisse. In
den Augen der Öffentlichkeit sitzen Ermittler und Geheimdienste mit
auf der Anklagebank, es soll Licht ins Dunkel möglicher staatlicher
Verstrickungen kommen. Doch dafür ist ein Strafprozess weder gedacht
noch geeignet. Denn hier geht es um die Feststellung individueller
Verantwortlichkeit der Angeklagten – und nur darum. Deshalb will die
Anklage nicht nur die Mitgliedschaft im NSU, sondern die persönliche
Beteiligung an den Taten beweisen. Sie will es offenbar besser machen
als in den RAF-Prozessen der 70er und 80er Jahre, als die rasche
Abrechnung mit dem Terror oberste Priorität hatte. Das ist gut so –
es genügt vollauf, dass sich der Staat einmal bis auf die Knochen
blamiert hat.

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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