Nirgendwo steht geschrieben, dass ein Parteichef
auch mit den Weihen des Spitzenkandidaten für eine Bundestagswahl
ausgestattet sein muss. Jedenfalls käme niemand ernsthaft auf die
Idee, in Sigmar Gabriel ein politisches Auslaufmodell zu sehen, nur
weil Peer Steinbrück jetzt für die SPD an vorderster Stelle gegen
Angela Merkel kämpfen darf. Das gleiche Argument gilt im Prinzip auch
für Claudia Roth. Allerdings mit einem gewichtigen Unterschied:
Anders als bei der SPD wurde die Entscheidung über die
„Spitzenkandidatur“ der Grünen per Mitgliederbefragung getroffen,
weshalb die Sympathien für die jeweilige Person nun klar in Prozenten
ablesbar sind. Und genau das ist jetzt das Problem der
traditionsgrünen Frau aus Bayern. Obwohl sie ein grottenschlechtes
Basisvotum einfuhr, will sie am kommenden Wochenende erneut für den
Parteivorsitz kandieren. Die allermeisten Bürger dürften diesen
Entschluss kaum nachvollziehen können. Viele Grüne dagegen schon. Zum
einen ist der Vorsitz in der Öko-Partei noch nie ein Hort wirklicher
Macht gewesen. In keiner politischen Formation wechselten die
Vorsitzenden so oft wie bei die Grünen. Die allerwenigsten von ihnen
haben politische Spuren hinterlassen. Ohnehin dürfen sie nur im Duo
wirken. Und zum anderen will sich die Partei offenbar nicht gleich
wieder ein neues Personalproblem aufhalsen, nachdem das der beiden
Spitzenkandidaten in mühsamer Kleinarbeit endlich gelöst ist. Ein
Ersatz für Roth im Parteivorsitz, der nach der grünen Arithmetik
weiblich und „links“ sein muss, ist weit und breit auch nicht in
Sicht. Nimmt man noch die Tatsache hinzu, dass Roth praktisch nur
grüne Partei gelernt hat, wird klar, warum selbst die Demütigung
durch die Basis für sie noch lange kein Grund zum Rückzug ist. Durch
die zahllosen „Claudia- mach´s-noch-einmal-Rufe“ bleibt ja auch der
Schein gewahrt. Viel mehr allerdings nicht.
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