Der Tagesspiegel: Kritik an Vorwürfen gegen Bundesverfassungsgericht / Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestages weist Äußerungen des obersten Richters Nordrhein-Westfalens als „unfassbar“ zurück

Die Vorwürfe des scheidenden Präsidenten des
Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen, Michael Bertrams,
gegen das Bundesverfassungsgericht stoßen auf harte Kritik. Bertrams
Äußerungen seien „unfassbar und unverschämt“, sagte der Vorsitzende
des Rechtsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU), dem
„Tagesspiegel“ (Freitagsausgabe). Bertrams, dessen Amtszeit Ende
Januar vorbei ist, „sollte noch für die restlichen Tage in die Wüste
geschickt werden“. Bertrams hatte in einem Interview das
Bundesverfassungsgericht, das mehrmals Verbote von
Neonazi-Demonstrationen aufgehoben hat, für eine Verharmlosung des
Rechtsextremismus mitverantwortlich gemacht.

Der Richter sagte, „wenn das Bundesverfassungsgericht das
öffentliche Agieren einer Partei wie der NPD über viele Jahre immer
wieder durchwinkt, dann entsteht sehr schnell der Eindruck, so
schlimm kann das mit dieser Partei ja wohl nicht sein, sonst hätte
das oberste Gericht des Landes bestimmt anders entschieden“. Bertrams
betonte zudem, dass die Morde der Terrorgruppe NSU „in die Zeit der
sehr liberalen – ich möchte am liebsten sagen: libertinären –
Karlsruher Rechtsprechung fielen“. Hätte das Bundesverfassungsgericht
„die Existenz solcher hochaggressiven Strukturen bis hin zur
Mordbereitschaft vor Augen gehabt, wäre die Rechtsprechung sicher
anders ausgefallen“. Man habe „den Rechtsextremismus viel zu lange
verharmlost und dramatisch unterschätzt“, sagte Bertrams.

Kauder nahm das Bundesverfassungsgericht in Schutz. Dass auch
Neonazis Rechtsmittel in Anspruch nehmen, „muss in einem Rechtsstaat
möglich sein“. Das Bundesverfassungsgericht halte sich an die
Prinzipien des Grundgesetzes.

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