Es fällt sehr schwer zu glauben, dass sich
Jörg-Uwe Hahn der Vieldeutigkeit seiner Sätze über Philipp Rösler
nicht bewusst war. Auch Hahn weiß nur zu gut, dass sich die Liberalen
– entgegen aller Beteuerungen – seit Monaten fast ausschließlich mit
Personaldebatten und gegenseitigen Schuldzuweisungen herumschlagen.
Beim Dreikönigstreffen und bei dem Streit um die Parteiführung hat
sich einmal mehr gezeigt: Die FDP hat sich zur Partei des Misstrauens
entwickelt. Deshalb mutet es um so seltsamer an, dass er ausgerechnet
den umstrittenen Parteichef Philipp Rösler und ausgerechnet jetzt als
Beispiel heranzieht, um eine Debatte über Rassismus in der deutschen
Gesellschaft zu führen. So ein Lapsus dürfte einem erfahrenen
Landesparteichef und hessischen Integrationsminister eigentlich nicht
passieren.
Dabei hätte Hahn in der Sache teilweise gar nicht so Unrecht
gehabt: Es gibt einen gewissen Prozentsatz Rassisten in unserer
Gesellschaft. Der ist je nach Region zwar nicht allzu hoch, aber es
gibt ihn, und er ist ein Problem für eine demokratische Gesellschaft.
Eine andere Facette des Problems ist aber der alltägliche Rassismus,
der in den Zwischentönen transportiert wird. Man muss selbst kein
Rassist sein, um durch unbedachte Aussagen oder vermeintlich lustige
Anspielungen die alten rassistischen Klischees am Leben zu erhalten.
Es ist ein Paradoxon: Im direkten Kontakt mit Menschen anderer
Herkunft werden nur wenige rassistische Tendenzen haben. Man kennt
den Menschen ja persönlich. Einem Stereotyp gegenüber gibt man sich
schnell unbedachter – man beleidigt ja niemanden persönlich. Und
genau darin liegt der Trugschluss, denn diese Unbedachtheit sorgt
dafür, dass der Nährboden für Rassismus nicht austrocknet.
Eine Debatte, an deren Ende mehr Sensibilität gestanden hätte,
wäre sicherlich sinnvoll gewesen. Mit seinem schlechten Beispiel hat
sie Jörg-Uwe Hahn aber von Beginn an auf eine falsche Bahn gelenkt.
Die Rückkehr zur Sachlichkeit ist jetzt verbaut – erst recht, weil
dieses Jahr im Bund sowie in Hessen gewählt wird und im Wahlkampf
selten Platz für gute Argumente ist. So hat Hahns unsensibler Vorstoß
bislang nur Verlierer – bis auf einen: Rösler hat abgeklärt und damit
wie ein souveräner Parteichef reagiert.
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