Baden-Württemberg: Landesheimbauverordnung gefährdet pflegerische Infrastruktur / bpa fordert konkrete Bestandsaufnahme zu den Auswirkungen der Verordnung

5. März 2013

Die Landesheimbauverordnung ist Gegenstand zweier aktueller
Anträge der Opposition im baden-württembergischen Landtag. Aus Sicht
des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa)
macht die Antwort deutlich, dass die Landesregierung die Auswirkungen
der Verordnung auf die pflegerische Infrastruktur in ihrer ganzen
Tragweite entweder nicht erkennt oder bewusst herunter spielt.

Die 2009 in Kraft getretene baden-württembergische
Landesheimbauverordnung regelt unter anderem, dass für alle
Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen ein Einzelzimmer mit
einer Fläche von mindestens 14 qm und einer durchgängigen Raumbreite
von mindestens 3,20 m zur Verfügung stehen muss. Wohngruppen dürfen
nicht mehr als 15 Plätze umfassen und für jeweils zwei Bewohnerzimmer
muss direkt ein Sanitärbereich zugeordnet sein. Diese und weitere
Vorgaben müssen in bestehenden Einrichtungen spätestens zum 01.09.19
umgesetzt sein. In begründeten Einzelfällen kann die Frist auf 25
Jahre ab Inbetriebnahme der Einrichtung verlängert werden.

Trotz dieser Vorgaben, die es für Bestandseinrichtungen in dieser
Form in keinem anderen Bundesland gibt, sieht die Landesregierung
keine Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung mit
Pflegeheimplätzen. Dies, weil die Bevölkerung der häuslichen Pflege
Vorrang einräume und der Bedarf an Pflegeheimplätzen aufgrund der
Zunahme alternativer Wohnformen zurückgehen werde. Einen Beleg für
diese Annahme sieht die Landesregierung darin, dass der Anteil der
stationär versorgten Pflegebedürftigen in Baden-Württemberg im
Verhältnis zu den ambulant versorgten Pflegebedürftigen von 34 % in
2009 auf 32 % in 2011 zurückgegangen ist. Gänzlich unerwähnt bleibt
in der Stellungnahme der Landesregierung dagegen, dass die absolute
Zahl der pflegebedürftigen Heimbewohner im gleichen Zeitraum um fast
4.000 angestiegen ist und die Zahl der Pflegebedürftigen in
Baden-Württemberg insgesamt bis 2020 um rund 20.000 auf rund 300.000
steigen wird.

„Aufgrund der demographischen Entwicklung wird der Bedarf an
Pflegeheimplätzen auch in Zukunft steigen und keinesfalls
zurückgehen. Daran ändert auch der von der Landesregierung
ausgemachte Trend zum Verbleib in der eigenen Häuslichkeit nichts.
Auch berücksichtigt die Landesregierung nicht, dass die häusliche
Pflege aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen wie der Zunahme der
Singlehaushalte, der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Angehörigen und
der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung an Grenzen stoßen wird“,
betont der Vorsitzende der bpa-Landesgruppe Baden-Württemberg, Rainer
Wiesner.

Derzeit werden in Baden-Württemberg rund 37.500 Pflegeheimplätze
in Doppelzimmern vorgehalten. „Die Umsetzung der
Landesheimbauverordnung wird eine deutliche Reduzierung der Platzzahl
in den bestehenden Einrichtungen zur Folge haben und deutliche
Preissteigerungen bewirken. Die Doppelzimmer können in den
bestehenden Pflegeheimen nur in Ausnahmefällen durch entsprechend
viele neue Einzelzimmer ersetzt werden. Völlig außer Acht lässt die
Landesregierung, dass bei den neuen Vorgaben sogar ein Teil der
heutigen Einzelzimmer nicht mehr genutzt werden dürfte“, macht
Wiesner deutlich.

„Das Land ist für die Vorhaltung einer leistungsfähigen,
zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen Infrastruktur
verantwortlich. Abzuwarten und auf vermeintliche Trends zu verweisen,
genügt nicht. Stattdessen fordern wir von der Landesregierung und den
Kommunen eine konkrete Bestandsaufnahme, um die Auswirkungen der
Landesheimbauverordnung auf die pflegerische Infrastruktur seriös
abschätzen und bei der Umsetzung der Verordnung gegebenenfalls
gegensteuern zu können“, so Wiesner abschließend.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa)
bildet mit mehr als 7.500 aktiven Mitgliedseinrichtungen, davon fast
900 in Baden-Württemberg, die größte Interessenvertretung privater
Anbieter sozialer Dienstleistungen in Deutschland. Einrichtungen der
ambulanten und (teil-) stationären Pflege, der Behindertenhilfe und
der Kinder- und Jugendhilfe in privater Trägerschaft sind im bpa
organisiert. Die Mitglieder des bpa tragen die Verantwortung für rund
230.000 Arbeitsplätze und ca. 17.700 Ausbildungsplätze. Das
investierte Kapital liegt bei etwa 18,2 Milliarden Euro.

Pressekontakt:
Stefan Kraft, Leiter der Landesgeschäftsstelle, 0711 / 960496