Diesmal haben die Linken sogar getanzt. Und wie:
Der gesellige Teil des Parteitags fand am Samstagabend nicht nur
statt, er begann auch noch pünktlich. Und weil das zuletzt so gut wie
nie der Fall war, zeigt es allein, wie gut die Parteitagsregie
funktioniert hat. Ganz anders als 2012 in Göttingen war in Dresden
von Spaltung keine Spur, vielmehr übte sich alles in Harmonie.
Die Linkspartei hat aus dem selbstzerstörerischen Chaos der
Vergangenheit gelernt. Fürs Erste klappt das Zusammenspiel –
zumindest auf der Bühne. Auch scheint sich die Partei endgültig von
ihrem Übervater Oskar Lafontaine zu lösen, der in Dresden kaum mehr
als eine Randfigur war. Sein Anti-Euro-Kurs wurde höflich, aber
bestimmt abgeräumt.
Ein Erfolg, der mit zwei Namen verbunden ist: Katja Kipping und
Gregor Gysi. Während Kippings Co-Vorsitzender Bernd Riexinger
merkwürdig aus der Zeit gefallen wirkt, hat die 35-Jährige seit ihrem
Amtsantritt vor einem Jahr viel dafür getan, die Partei zu befrieden.
Ihr Rezept: harte Arbeit hinter den Kulissen statt publikumswirksamer
Auftritte.
Was Kipping für die Partei ist Gysi für die Fraktion. Längst die
Identifikationsfigur, könnte es ihm nun sogar gelingen, der Linken
mit Hilfe der Realpolitiker aus dem Osten eine langfristige
Perspektive zu geben. Gysi war es ja auch, der seine Partei in
Göttingen eindringlich vor dem Zerfall gewarnt hatte. Heute kann man
sagen: Seine Rede hat gewirkt.
Bis zur Bundestagswahl dürfte der Burgfrieden halten. Was dann
passiert, hängt stark vom Ergebnis ab. Kampflos wird Sahra
Wagenknecht ihre Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz kaum aufgeben.
Und ob der von Gysi als Ziel ausgegebene Stimmenanteil von 10 Prozent
und mehr tatsächlich erreicht wird, scheint zweifelhaft.
In Umfragen wird die Partei zwischen 6 und 9 Prozent taxiert. Das
ist deutlich weniger als das Rekordergebnis von 2009, als die
Linkspartei auf 11,9 Prozent kam. Doch anders als für FDP, Piraten
und AfD, die alle an oder unter der Fünf-Prozent-Hürde notiert
werden, scheint immerhin der Einzug ins Parlament nicht in Gefahr.
Erst recht, da für die Linke im Zweifel die Sonderregel greifen
dürfte, nach der die Sperrklausel bei drei gewonnenen Direktmandaten
außer Kraft gesetzt ist.
Ob aber 6, 9 oder mehr als 10 Prozent: Gilt nach der Wahl, was vor
der Wahl gesagt wurde, findet sich die Linkspartei sicher in der
Opposition wieder. Dabei sind die inhaltlichen Differenzen längst
nicht mehr so groß, wie SPD und Grüne weismachen möchten. Aus
Afghanistan zieht die Bundeswehr ohnehin 2014 planmäßig ab, und über
ein groß angelegtes Umverteilungsprogramm ließe sich gewiss Einigkeit
erzielen.
Doch für ein rot-rot-grünes Bündnis müssten SPD und Grüne bereit
sein, voll ins Risiko zu gehen. Solange es aber nicht so weit ist,
ergibt es für die Linkspartei wenig Sinn, von ihren
Maximalforderungen abzurücken. Für Kompromisse wäre auch nach der
Wahl noch Zeit genug.
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