Die letzte Klammer
Kann es für einen Kronprinzen etwas Schöneres geben, als Vater
oder Mutter noch zu deren Lebzeiten auf dem Thron abzulösen? Für den
künftigen belgischen König Philippe vielleicht schon, tritt er doch
ein schweres Erbe an. Belgien wird von der Monarchie und der
Nationalelf zusammengehalten, meinen manche, nur halb im Scherz. Denn
es fehlt die gemeinsame Sprache als einigendes Band; der Streit
zwischen französischsprachigen Wallonen und den Niederländisch
sprechenden Flamen lähmt das Land. Für Ausländer grenzt das
politische Hickhack manchmal an Realsatire, etwa als Belgien 2010 und
2011 anderthalb Jahre ohne Regierung dastand. Überwunden wurde die
Krise auch dank der Vermittlung von Albert II. In dieser Zeit war der
König wirklich die letzte Klammer. Das zeigt: Mehr noch als in
anderen Monarchien muss der König von Belgien Identifikationsfigur
für alle sein.
Viel hängt davon ab, wie schnell der als scheu geltende Philippe
in diese Rolle hineinwächst. Schon 2014 stehen Parlamentswahlen an.
Die separatistische Neu-Flämische Allianz hofft darauf, ihre Position
als stärkste Fraktion auszubauen. Gut möglich, dass Philippe bald die
erste Krise managen muss. Seiner Verantwortung will sich der
Thronfolger bewusst sein, muss er auch, denn sonst ist nicht
auszuschließen, dass er statt zur letzten Klammer zum letzten König
eines geeinten Belgiens wird.
Manuel Glasfort
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