Sie fahren seit Jahren regelmäßig mit
der Deutschen Bahn? Dann werden Sie vielleicht erleichtert aufgeatmet
haben, als 2009 der knurrige DB-Vorstandschef Hartmut Mehdorn ging
und der nette Rüdiger Grube dessen Amt übernahm. Während Mehdorn über
Jahre Dauerscharmützel mit der Politik ausgefochten und den
Staatskoloss mit eisernem Sparkurs auf Börsengang getrimmt hatte,
ging der konziliante Grube gleich auf Schmusekurs mit dem Eigentümer
und setzte alles daran, das Unternehmen in den Augen seiner Kunden
wieder sympathischer zu machen: Eine pünktliche, sichere und
preiswerte Bahn versprach der Ex-Daimler-Manager damals. Spätestens
seit dem Mainzer Bahn-Chaos ist klar: Grube mag als Bahn-Chef leiser
als sein Vorgänger vorgehen – aber im Grunde fährt er die gleiche
Unternehmensstrategie. Heißt: Die Rendite spielt noch immer die
größte Rolle – auch wenn ein Börsengang vorerst ausgeschlossen
bleibt.
In seiner Konzernstrategie „DB2020“ wird dies deutlich. Zwar
beteuert Grube darin, dass er die Bahn auch zu einem Ökologie- und
Arbeitnehmer-freundlichen Unternehmen machen will. Aber die
Profitabilität steht da an erster Stelle. Und wie diese gesteigert
werden soll, ist auch schon klar: vor allem über steigende Gewinne im
Schienennetz. Die hauptsächlich vom Steuerzahler jährlich mit vier
bis fünf Milliarden Euro finanzierte Infrastruktur hat schon in den
beiden vergangenen Jahren Rekordgewinne eingefahren und leistet –
neben dem Regionalverkehr, der über die Bundesländer ebenfalls vom
Steuerzahler getragen wird – die höchsten Ergebnisbeiträge im
Konzern. Bei einer Rendite, von der die anderen Konzernsparten nur
träumen können, hat die DB Netz bereits im vergangenen Jahr 890
Millionen Euro erwirtschaftet. 1,2 Milliarden sollen es laut
Mittelfristplanung in diesem Jahr werden – 1,46 Milliarden im Jahr
2017. Und die Rendite soll dabei weiter steigen.
Kann es da verwundern, dass die Bahn-Führung seit Jahren weniger
in das Netz investiert, als sie abschreibt? Dass das deutsche
Schienennetz im europäischen Vergleich nur noch Mittelmaß ist? Dass
sie – zum Leidwesen der wenigen Konkurrenten, die auf den Schienen
unterwegs sind, aber auch zum Leidwesen der Bundesländer, die für die
Regio-Züge zahlen – stetig die Trassenpreise anhebt, die rund 95
Prozent der Netz-Einnahmen ausmachen ?Und dass rund ein Drittel aller
Stellwerke immer noch mechanische Einrichtungen sind, die zumeist aus
den Jahren 1885 bis 1935 stammen und somit viel anfälliger bei
Personalausfällen sind, wie sich derzeit bestätigt?
Es wird endlich Zeit, Infrastruktur und Fahrbetrieb
eigentumsrechtlich zu trennen, das Netz aus dem Konzern herauszulösen
– so wie es Brüssel und die deutsche Monopolkommission fordern. Schon
unter Mehdorn hat sich die DB AG mit Händen und Füßen dagegen
gewehrt- mit tatfreudiger Unterstützung der Bundesregierung. Und das
obwohl diese längst eingestanden hat, dass sie weder den Einsatz der
Steuergelder im Netz noch die Verwendung der daraus resultierenden
Gewinne ausreichend kontrollieren kann. Den nahe liegenden Versuch,
die Bundesnetzagentur dazu zu befähigen – über ein neues
Eisenbahn-Regulierungsgesetz – hat Grube bislang verhindert.
Deshalb muss das Netz in eine unabhängige staatliche Verwaltung
überführt werden, die allen Unternehmen gleiche Chancen bietet, die
Steuergelder nach verkehrlichem Nutzen investiert und nicht dort, wo
sie dem Platzhirsch die höchsten Gewinne bescheren. Das würde die
private Konkurrenz beleben und sicherstellen, dass das
Staatsunternehmen nicht Gewinne aus dem hochsubventionierten Netz in
andere Konzerngesellschaften überweist, die damit vielleicht teure
Übernahmen im Ausland mitfinanzieren.
Nach wie vor gilt ein effizientes Schienennetz als Teil der
Daseinsvorsorge. Den Spagat zwischen dieser Aufgabe und dem
unternehmerisch gebotenen Renditestreben wird die DB AG aber nie
schaffen. Deshalb sollte die Politik das erneute Bahn-Desaster nicht
für ihr Wahlkampf-Getöse missbrauchen, sondern endlich zum Anlass
nehmen, die längst überfällige ordnungspolitische Kehrtwende zu
vollziehen.
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