WAZ: Zwei Urteile mit vielen Gewinnern – Kommentar von Silke Hoock

Manche Menschen haben eine ganz praktische Sicht auf
komplizierte Dinge. Während das Bundesverwaltungsgericht nichts
geringeres als die Frage klären musste, wo die Grenze zwischen
persönlicher Religionsfreiheit und der Durchsetzung des
Bildungsauftrags des Staates verläuft, meinte eine Lehrerin: Gut ist,
was funktioniert. An ihrer Schule mit einem hohen Migrantenanteil hat
man schon längst die Ganzkörperanzüge angeschafft, um kein
muslimisches Mädchen vom Schwimmunterricht auszugrenzen. Das Urteil
der Bundesverwaltungsrichter legitimiert im Nachgang diese
ungewöhnliche Praxis. Gemeinsamer Schwimmunterricht für Mädchen und
Jungen ist für Muslima im Ganzkörperanzug zumutbar.

Das Urteil aus Leipzig legt Eltern muslimischer Töchter auch diese
Konsequenz nahe: Wollt ihr euer Kind nach religiösen Vorstellungen
erziehen lassen, müsst ihr eine religionsgeprägte Schule wählen. Der
Richterspruch bedeutet auch, eine staatliche Schule darf nicht dazu
gezwungen werden, sich einem Glauben zu unterwerfen. An Schulen und
an staatlichen Institutionen soll Neutralität herrschen.

Diesem Grundsatz folgten die Bundesverwaltungsrichter auch im
Falle jener Eltern, die ihren Sohn ebenfalls vom Unterricht befreien
lassen wollten. Als Zeuge Jehovas könne er nicht unbeschadet Otfried
Preußlers „Krabat“ -Verfilmung ansehen, weil er Fälle schwarzer Magie
zeige. Der Schüler wird es verkraften. Beide Urteile sind gut. Die
Schule hat einen Bildungsauftrag. Sie lehrt: Die Welt ist bunt.

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