Stuttgarter Zeitung: Gefällige Entscheidung / Leitartikel zum Friedensnobelpreis

Die Vergabe wird keine allzu heftigen
Diskussionen nach sich ziehen. Wer erinnert sich nicht an die
weltweite Häme, als US-Präsident Barack Obama vor vier Jahren die
Auszeichnung entgegennahm, ein Politiker, der damals außer
hoffnungsvollen Versprechungen herzlich wenig zu bieten hatte. Das
Nobelpreiskomitee ist mit jener spektakulären Entscheidung eine
riskante Wette auf die Zukunft eingegangen – und hat verloren. Dieser
Schreck sitzt den Frauen und Männern in Oslo offensichtlich noch tief
in den Knochen, sie sind wesentlich vorsichtiger geworden. Zudem
haben sie Lehren aus dem Fehlurteil gezogen.

Falsch wäre es, wenn das Nobelpreiskomitee bei der Vergabe in
Zukunft zu oft auf die sichere Karte setzen würde. In der
Vergangenheit hat sich gezeigt, dass durch die Verleihung der
symbolisch wichtigen Auszeichnung positive politische Entwicklungen
vorangetrieben worden sind – was sich bisweilen allerdings erst Jahre
danach gezeigt hat. 1983 erhielt der Pole Lech Walesa den Preis,
lange bevor jemand ahnen konnte, dass sich die Bürgerrechtsbewegung
gegen das Regime durchsetzen würde. Und die Freiheitskämpferin Aung
San Suu Kyi, die sich für das Ende der Repressionen in Myanmar
einsetzt, wäre ohne den Friedensnobelpreis im Jahr 1991 in der
Weltöffentlichkeit nicht derart präsent. Es ist also gut, wenn die
Mitglieder des Komitees in Oslo mit ihren Entscheidungen Einfluss auf
den Lauf der Welt nehmen wollen. Das braucht Mut, birgt aber die
große Gefahr, bisweilen auch Fehler zu machen.

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