Allg. Zeitung Mainz: Grundfrage Vertrauen / Kommentar zu Schavan

Annette Schavan ist unschuldig, solange ihr ein
Fehlverhalten nicht abschließend nachgewiesen wird. Zugleich ist sie
vorverurteilt, und zwar aufs Massivste, weil ein Gutachten vorab in
die Öffentlichkeit gelangte. So ist das heutzutage – ein Teil des
hohen Preises, den wir für die generell oft positiven Eigenschaften
der Netzwelt zahlen. Sollte nun die Universität Düsseldorf zu der
Erkenntnis gelangen, dass sich Annette Schavan eines gravierenden
Fehlverhaltens schuldig gemacht hat, dann muss sie als Ministerin
zurücktreten. Dies unabhängig davon, ob ihr der Doktortitel aberkannt
wird oder nicht. Denn das Urteil „Plagiat“ untergräbt Vertrauen, das
unerlässlich ist in der Politik. Nicht entscheidend, aber auch nicht
irrelevant sind zwei weitere Aspekte. Schavan ist Bildungsministerin,
ausgerechnet Bildungsministerin. Und: Sie hat ihren damaligen
Kabinettskollegen Guttenberg bei dessen Plagiatsaffäre öffentlich
derart scharf kritisiert, dass ihr nur eines bleibt:die Maßstäbe, die
sie seinerzeit so vehement einforderte, auch in eigener Sache gelten
zu lassen. Auch dieses gilt es klar zu sagen: Schavan hat sich in den
vielen Jahren ihrer politischen Arbeit nichts zuschulden kommen
lassen, gilt ganz im Gegenteil als Stütze der Kanzlerin Merkel.
Deshalb sollte sie es sich auch nicht antun, gegebenenfalls auf einen
Mitleidsbonus zu setzen und trotz einer massiven Schramme im Amt zu
bleiben. Für Merkel wäre ein Schavan-Rücktritt unangenehm, aber
aushaltbar. Über allem schwebt die Grundfrage: Sind an Politiker
höhere moralische Ansprüche zu stellen als an Normal-Arbeitnehmer?
Antwort: ein klares Ja, denn Integrität sollte unverzichtbares
Prinzip für Volksvertreter sein. Allerdings ist Vorsicht geboten:Das
Ansinnen, Plagiate zu entlarven, ist legal und legitim;es darf aber
nicht zur rufmordenden Hatz werden.

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