Freiheit statt Sicherheit: Die Lobby der
Fahrradfahrer macht auch angesichts der zunehmenden Zahl von
Verkehrstoten aus den eigenen Reihen weiter Front gegen schützende
Fahrradhelme. „Es geht einfach nicht um die Frage, Helm oder nicht.
Wenn es um Sicherheit im Straßenverkehr geht, geht es eher vielleicht
auch darum zu gucken, dass Autofahrer sich rücksichtsvoller
verhalten“, sagte Bettina Cibulski vom Allgemeinen Deutschen
Fahrrad-Club (ADFC) dem ARD-Magazin „Kontraste“ (Donnerstag, 21.45
Uhr). Außerdem sei sie „fest davon überzeugt“, dass die meisten
Radfahrer aufs Auto umsteigen würden, wären sie zum Kopfschutz
gezwungen.
Unterdessen sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Aus der am
Mittwoch vorgelegten „Unfallstatistik 2012“ des Statistischen
Bundesamts geht zwar hervor, dass es im vergangenen Jahr so wenige
Verkehrstote gab wie lange nicht mehr. Die Zahl der bei Unfällen ums
Leben gekommenen Radfahrer ist allerdings gleichzeitig weiter
gestiegen – auf nun 406 Todesfälle im Jahr. Damit saß jeder neunte im
Straßenverkehr getötete Verkehrsteilnehmer auf einem Fahrrad.
Auch Politiker schrecken weiter davor zurück, ähnlich wie einst
mit der Gurtpflicht für Autofahrer auch Radfahrern mehr Sicherheit
per Gesetz zu verordnen. Beispiel Winfried Hermann. Als Grüner
Bundestagsabgeordneter sprach er sich 2011 noch für die Helmpflicht
aus. Heute, als baden-württembergischer Verkehrsminister, will er vor
einer Positionierung noch eine Studie abwarten, die prüft, wie groß
bei Unfällen der Schutz durch das Tragen eines Helmes ist.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) lehnte die Helmpflicht
zuletzt ebenfalls ab und sagte: „Wovon aber die Rede sein muss, ist,
dass Helm freiwillig stärker getragen werden wird.“
Klaus-Peter Hesse, der für die CDU in der Hamburger Bürgerschaft
sitzt, hält es hingegen „für Unfug, dass es nicht ausreichend
Untersuchungen gibt zur Sinnhaftigkeit eines Fahrradhelms“. Den
Grünen wirft er in Zeiten des Wahlkampfs Klientelpolitik vor –
Bequemlichkeit für Radfans. Er fordert den Zwang: „Ich trete dafür
ein, dass wir eine gesetzliche Helmpflicht bekommen, denn alles das,
was an Aufklärungsarbeit über Unfälle ohne Helme stattgefunden hat,
hat anscheinend nicht gefruchtet“, sagte Hesse dem ARD-Magazin.
Inzwischen nehmen auch Gerichte Fahrradfahrer in die Pflicht, die
auf einen Helmschutz verzichten. Das Oberlandesgericht (OLG) in
Schleswig hatte erst im Juni einer Fahrradfahrerin eine Mitschuld
attestiert, die sich bei einem Unfall eine schwere
Schädel-Hirn-Verletzung zugezogen hatte – und dabei ohne Kopfschutz
unterwegs war. Zur Begründung hieß es, es könne „grundsätzlich davon
ausgegangen werden, dass ein verständiger Mensch zur Vermeidung
eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird“ (Az. 7 U
11/12).
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