Andere waren zu diesem Zeitpunkt längst schon
wieder aus dem Amt ausgeschieden. Für die beiden CDU-Kanzler Ludwig
Erhard und Kurt-Georg Kiesinger war jeweils nach gerade einmal drei
Jahren im Kanzleramt Schluss, der Sozialdemokrat Willy Brandt musste
nach fünf Jahren zurücktreten und Gerhard Schröder war nach sieben
Jahren so angeschlagen, dass er sein Heil in vorgezogenen Neuwahlen
suchte, in denen er abgewählt wurde. Nun hat Angela Merkel ebenfalls
dieses „verflixte siebte Jahr“ hinter sich, und es sind weder
Abnützungs- noch Ermüdungserscheinungen festzustellen, von Affären
oder Skandalen ganz zu schweigen. Schafft sie den Rest der
Legislaturperiode, hätte sie auch Helmut Schmidt, der bis heute als
moralische und politische Autorität geachtet wird, eingeholt. Dann
liegen nur noch Konrad Adenauer und Helmut Kohl vor ihr. Kaum einer
hätte das für möglich gehalten, als die Frau aus dem Osten, die keine
starke Hausmacht im Rücken hatte, vor zwölf Jahren zur neuen
CDU-Chefin gewählt wurde und bei den Bundestagswahlen 2002 dem
bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber als Kanzlerkandidat
den Vorrang lassen musste. Für viele Parteifreunde galt sie als
Übergangslösung, bis sich die Kräfte neu sortiert hatten. Doch
Merkel, die bei den vorgezogenen Wahlen 2005 nur knapp vor der SPD
landete, hat sich mit ihrer unaufgeregten und nüchternen Art im Amt
der Regierungschefin etabliert. Politik heißt für sie, Probleme zu
lösen. So einfach ist das. Innerparteiliche Konkurrenten gibt es
nicht mehr, gleichzeitig kann ihr fast schon egal sein, welches
Mitglied der SPD-Troika gerade die Nase vorne hat und welches
Schwergewicht, Steinbrück oder Steinmeier, in der SPD-internen Börse
als aussichtsreichster Kandidat für die Spitzenkandidatur gehandelt
wird. Sie wird nach den Bundestagswahlen entweder die Koalition mit
der FDP fortsetzen oder eine erneute Große Koalition mit der SPD
eingehen. Welches Gewicht, welches Ansehen und welche Bedeutung die
Bundeskanzlerin als Regierungschefin der mit Abstand größten und
stärksten Wirtschaftsmacht Europas weltweit mittlerweile hat, wurde
beim traditionellen sommerlichen Auftritt Merkels vor der
Bundespressekonferenz deutlich. Fragen zur Innenpolitik, zum Zustand
der Koalition, zur Zuschussrente oder zur Energiewende, die eine
gewisse nationale Relevanz haben, spielten nur am Rande eine Rolle,
es dominierten die Fragen der ausländischen Journalisten von China
über Japan bis Italien, Griechenland und Großbritannien, die sich aus
erster Hand ein Bild von Merkels Positionen in der Euro-Krise
verschaffen wollten. Und die Kanzlerin nutzte die Gelegenheit, ihren
Kurs zu erklären: Deutschland ist solidarisch, steht zum Euro,
plädiert für die Vertiefung der europäischen Integration, aber nur,
wenn die Euro-Partnerländer ihre Verpflichtungen einhalten, ihre
Haushalte konsolidieren und mit Reformen die eigene
Wettbewerbsfähigkeit stärken. Keine Hilfen ohne Gegenleistung. Und:
Es darf keine Überforderung Deutschlands geben, weil dies auch zum
Nachteil der Partner wäre. Die Gewichte verschieben sich. Was ist
schon die Zuschussrente gegen die Zukunft Europas? Deutschland hat
sich lange dagegen gewehrt, eine Führungsrolle auf dem Kontinent
einzunehmen. Und Angela Merkel, die Pfarrerstochter aus Templin,
wollte alles werden, nur nicht die starke Frau Europas, deren Worte,
erst recht deren Taten die Kurse der internationalen Börsen
bestimmen. Doch die Kanzlerin hat die Herausforderung angenommen und
stellt sich der Krise, nüchtern, unaufgeregt, an Lösungen
interessiert. Die Welt blickt auf sie – die mächtige Frau im
Kanzleramt -, die gar nicht daran denkt, ihren Platz dort so schnell
freizumachen. Wie einst Konrad Adenauer und Helmut Kohl.
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