Badische Neueste Nachrichten: Wer denkt an die Opfer

Das treibt jedem normal denkenden Menschen die
Zornesröte ins Gesicht: Der Staat soll Hunderttausende Euro an
Schwerverbrecher zahlen, weil diese zu lang hinter Gittern saßen?
Schmerzensgeld für brutale Mörder und sadistische Vergewaltiger? Der
gestern begonnene Prozess vor dem Landgericht Karlsruhe bestärkt
leider viele Menschen in ihrem Vorurteil, dass der Täterschutz in
Deutschland viel wichtiger genommen wird als die Interessen der Opfer
und ihrer oft bis zum Lebensende traumatisierten Angehörigen. Für
diese muss der Gedanke unerträglich sein, dass ausgerechnet der
Verursacher all ihrer Pein die Allgemeinheit kräftig zur Kasse bitten
will, weil ihm durch eine unklare Rechtslage Unrecht widerfahren
sei.Auch wenn der Anspruch auf Entschädigung nach dem Urteil des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Spätjahr 2009 außer
Frage steht, wie das Karlsruher Gericht gestern betonte, sollten sich
Justiz und Gesetzgeber gründlich überlegen, welches Signal von der
Überweisung sechsstelliger Summen aus dem Steuersäckel ausgehen
würde. Die Anerkennung von Unrecht ist die eine Sache, die Zahlung
von Schmerzensgeld eine ganz andere. Noch einmal zur Erinnerung: Es
geht hier um Täter, die nach Verbüßung ihrer Haftstrafe deshalb nicht
entlassen worden sind, weil sie nach Meinung führender Experten
weiterhin eine erhebliche Gefahr für die Öffentlichkeit darstellten.
Wenn es wirklich gar nicht anders geht, wenn die Entschädigung von
Tätern juristisch unabwendbar ist, dann sollten deren Opfer und ihre
Angehörigen wenigstens die Möglichkeit erhalten, auf diese Summen
zugreifen zu können.Die Debatte zeigt, dass es sich bei der
Sicherungsverwahrung um eine der heikelsten Maßnahmen im Strafrecht
handelt. Dem Recht auf Freiheit des Einzelnen steht das
Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit gegenüber. Der
Resozialisierungsgedanke kollidiert hier mit der hohen Gefahr
weiterer schwerster Straftaten. Es ist eine äußerst heikle
Gratwanderung, für die der Gesetzgeber nach dem Urteil des
Verfassungsgerichts bis zum Mai des kommenden Jahres eine Neuregelung
vorlegen muss. Klar ist, dass künftig die Therapie hinter Gittern
wesentlich stärker im Vordergrund stehen muss. Denn auch dies dient
dem Schutz der Allgemeinheit.

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Klaus Gaßner
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