Ein Satz fehlte noch: „Ich liebe meine Frau“. Mit
diesem Klassiker hat Kanzler Schröder einst im TV-Duell gesiegt.
Ansonsten hat der Bundespräsident überraschend viel richtig gemacht
in einem historischen Moment. Demut, Mitleidsheischen und dosierte
Gegenwehr – mit einem knapp an der Fremdschämerei vorbeigeknisterten
Emotionsauftritt hat Christian Wulff beileibe nicht alle Vorbehalte
ausgeräumt, sich zumindest aber Luft verschafft. Ein Feuerwerk der
Fehler versuchte er in eine Opfer- und Heldenarie umzudeuten. Fazit
nach 25 Minuten Staatstheater: Wulff will bis 2015 im Schloss
Bellevue bleiben. Weil die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende kein
Interesse zeigt, ihren Mann zu entfernen, könnte dem
Wackelpräsidenten am Mittwochabend ein Befreiungsschlag gelungen sein
– sofern nicht neue Vorwürfe auftauchen. Nie zuvor in der Geschichte
der Bundesrepublik hat sich das Staatsoberhaupt in ein Fernsehstudio
begeben, um Auskunft zu geben zu Immobilienkrediten, Wuttelefonaten
und der Frage, ob ein Abendkleid gekauft, geliehen oder gar geschenkt
sei, mithin also ein geldwerter Vorteil. Ob Theodor Heuss, Richard
von Weizsäcker oder Johannes Rau – unvorstellbar, dass einer von
Wulffs Vorgängern vom Dienstsitz hinab in ein puffig-rotes Studio
geklettert wäre, um derlei Fragen zu beantworten. Andererseits: Es
war Wulffs letzte Chance. Seit Bekanntwerden der Mailbox-Szene war
aus Finanzierungstricksereien eine Eignungsdebatte geworden. Die
Frage, die Wulff den Interviewern Bettina Schausten (ZDF) und Ulrich
Deppendorf (ARD) zu beantworten hatte: Besitzt dieser Präsident einen
Hauch Restautorität, der einen Verbleib im Amt denkbar erscheinen
lässt? Nein, er habe nie an Rücktritt gedacht, begann Wulff, vielmehr
wolle er nach fünf Jahren als guter und erfolgreicher Präsident
wahrgenommen werden. So ging es munter weiter: Die Interviewer, nicht
gerade als investigative Geheimwaffen des deutschen Journalismus
bekannt, mühten sich, Schneisen durch das Zahlen- und Datengewirr zu
schlagen. Wulffs Taktik: Konkrete Detailfragen mit großen Gefühlen
kontern. „Wenn man als Bundespräsident keine Freunde mehr haben
darf…“ war so ein Alleskiller-Argument, dann sein Schutzinstinkt
für die Familie und natürlich der Bibelvers mit der Schuld und dem
ersten Stein. Nur dort, wo er gar kein Verständnis erwarten durfte,
bei der Mailbox etwa, entschuldigte er sich – mal wieder – und räumte
schwere Fehler ein. Man meinte, im Hintergrund die Schnulzgeigen von
André Rieu zu vernehmen. So gewann Wulff an Sicherheit, den Fragern
ging langsam die Luft aus. Und an einem Punkt patzten die
Interviewer: Als der Präsident von sich aus auf böse Gerüchte zu
sprechen kam, die vor allem im Internet über seine Frau verbreitet
würden, da bat er geradezu darum, gefragt zu werden. Endlich hätte er
zur Privatsache erklären können, was medienweit geraunt wird. Doch
das Thema blieb unbehandelt, und damit die Furcht der Wulffs. Und
jetzt? Wird der Angeschlagene wohl bleiben. Und mit ihm die Frage, ob
er in Zukunft souveräner reagiert. Autorität kommt von Unabhängigkeit
kommt von Mut kommt von Haltung. Da ist reichlich Luft.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chefin vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de