Mit erstaunlicher Souveränität hat Schwedens
Ministerpräsident auf den terroristischen Anschlag in Stockholm
reagiert, der auch in einem fürchterlichen Blutbad hätte enden
können. Doch niemand sollte diese Haltung mit Gelassenheit
gleichsetzen. Schweden mit seiner offenen Gesellschaft, die
Flüchtlingen und Verfolgten aus aller Welt Zuflucht bietet, ist aufs
Höchste alarmiert. Stammt der Attentäter doch aus jenen Kreisen,
denen das Land im Norden eine neue Heimat, eine neue Chance geboten
hat. Statt sie anzunehmen, statt die Freiheit zu leben, die einst
Antrieb zur Flucht war, hat er diese zu hassen begonnen. Bis hin zum
Versuch, schreckliche Rache an Unschuldigen zu üben. Der Terrorakt
von Stockholm unterstreicht, dass die Anschlagsgefahr vorhanden
bleibt. Auch in Deutschland. Die seit dem 17. November von
Bundesinnenminister Thomas de Maizière ausgerufene erhöhte
Gefährdungsstufe im Lande mit folglich erhöhter sichtbarer
Polizeipräsenz war alles andere als eine PR-Aktion des CDU-Mannes,
wie manche seiner Kritiker zumindest bis gestern glauben machen
wollten. Die Sicherheitsbehörden wie jeder einzelne Bürger müssen
wachsam bleiben. Die Deutschen sind bislang wohltuend rational mit
dem umgegangen, was uns zum Weihnachtsfest vom internationalen
Terrorismus angedroht worden ist. Das sollten wir uns bewahren. Angst
und das Schüren von Unsicherheit helfen allein denen, die Terror
säen. Doch das heißt zugleich, jedes nur denkbare Risiko im Blick zu
haben. Die in Berlin und den Ländern gesteuerten Präventiv- und
Einsatzkräfte haben diese Aufgabe bislang dank Können und Glück
gemeistert. Aus jedem Anschlag gilt es neue Lehren zu ziehen. Der von
Stockholm lehrt zumindest Dreifaches. Erstens sind Einzeltäter
wesentlich schwerer vorab zu enttarnen, weil sie kaum mit anderen
kommunizieren. Das kompliziert das Aufspüren. Solche Alleingänger
scheinen derzeit gefährlicher als die von al-Qaida und deren
Folgegruppen zum Bomben nach West-Europa geschickten
Heilige-Krieg-Killer. Wenn zweitens – wie in Stockholm – der Täter
aus der Mitte der Gesellschaft kommt, müssen alle Möglichkeiten
aktiviert werden, die islamischen Vereinigungen im Lande von der
Notwendigkeit des gemeinsamen Anti-Terror-Kampfes zu überzeugen. Das
heißt auch, dass überzeugender als bisher in den Moscheen dieses
Landes verkündet und dafür geworben werden muss, dass islamistischer
Terror keine Rechtfertigung hat. Weil er im Widerspruch zum Islam
steht. Und weil Muslime selbst als potenzielle Opfer in ebenso großer
Gefahr leben wie ihre vermeintlich „ungläubigen“ Mitbürger. Drittens
haben die Opponenten innerhalb der Bundesregierung wie die Opposition
im Parlament endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass die
Terror-Ausbildungscamps keine Abenteuerspielplätze sind, sondern
Lehrwerkstätten zum Morden. Wer sich, wie der Attentäter von
Stockholm, in einem solchen Lager zum Dschihad-Krieger trimmen lässt,
darf das nicht länger juristisch folgenlos tun. Eine solche
Ausbildung ist in Deutschland endlich unter Strafe zu stellen.
Stockholm gibt neuen Anlass zu Wachsamkeit und weiterem Lernen. Nicht
zu Angst.
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