Der Kampf um unsere Daten ist auf dem Weg in die
digitale Gesellschaft voll entbrannt. Die Menschen in Deutschland
machen sich Sorgen und nehmen das Thema sehr ernst. In Berlin sitzt
mittlerweile die Piratenpartei im Rathaus, die für digitale Kompetenz
steht. Niemand kann mehr genau sagen, welche Website, welcher
Internetdienst wann welche unserer Daten sammelt, verwertet und
verkauft. Dieser Kontrollverlust schürt Ängste. Das Geschäftsmodell
von Facebook besteht darin, dass wir unsere persönlichen Daten gegen
den Spaß und Nutzwert eines sozialen Netzwerks eintauschen. Google
weiß, was wir im Netz suchen – und noch viel mehr. Deshalb ist die
Vorsicht berechtigt. Aber es besteht kein Grund zur Hysterie. Eine
Software, die jetzt in Deutschland unter dem Namen „Staatstrojaner“
berühmt ist, ermöglicht es offenbar, nicht nur die Kommunikation von
Verdächtigen zu überwachen, sondern viel tiefer in ihre Computer
einzugreifen. Es soll sogar möglich sein, den Rechner komplett
fernzusteuern, Zugriff auf alle Bewegungen und Daten zu erlangen und
durch die eingebaute Kamera Personen zu beobachten. Laut einem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts ist das verfassungswidrig. Noch ist
allerdings nicht klar, wie und in welchen Fällen diese oder eine
andere Überwachungssoftware überhaupt eingesetzt wurde. Beim Einsatz
von Kommunikationsüberwachung muss der Staat abwägen: Wie weit darf
ich in die Privatsphäre der Bürger eingreifen, um ihre Sicherheit zu
gewährleisten? Denn darum geht es bei den Fahndungen und
Überwachungen: Sicherheit. Auch wenn dabei vielleicht Fehler gemacht
worden sind. Die Ermittler in Bayern haben nach Angaben der
Landesregierung bislang in fünf Fällen Spionage-Software eingesetzt.
In diesen Fällen ging es um Doping, Drogenhandel, Hehlerei und eine
Bande von Internetbetrügern, die bis zu 120.000 Menschen um 30
Millionen geprellt haben soll. In allen Fällen haben Richter den
Einsatz der Überwachungssoftware genehmigt. Es ist sehr
wahrscheinlich, dass diese 120.000 betrogenen Menschen den Einsatz
der Überwachungssoftware sehr viel positiver einschätzen als die
lautstarken Kritiker der Aktionen. Es gibt in Deutschland ein
„Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität
informationstechnischer Systeme“. Damit verteidigt das
Bundesverfassungsgericht die Privatsphäre der Bürger. Der Computer
auf unserem Schreibtisch darf und wird kein staatlicher Spähposten
sein. Es sollte uns viel mehr beunruhigen, dass der sogenannte
Bundestrojaner offenbar unglaublich schlampig programmiert ist und
mehr kann, als gesetzlich erlaubt ist. Die Entwicklerfirma DigiTask
hat trotzdem mit staatlichen Aufträgen in den vergangenen Jahren mehr
als zehn Millionen Euro umgesetzt. Warum wird die Qualität der
eingekauften Produkte nicht überprüft? Fehlt den Behörden das Wissen?
Gibt es dafür keine Experten? Das ist der eigentliche Skandal: Für
den sogenannten Bundestrojaner ist offenbar viel Geld aus
Steuermitteln für ein minderwertiges und fehlerhaftes Produkt
ausgegeben worden, das im schlimmsten Fall sogar einen Verstoß gegen
Grundrechte der Bürger möglich machen könnte.
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