Das Ergebnis des Volksentscheids ist eine
Sensation. Er ist eine schwere Niederlage für den Senat und bringt
die rot-rote Regierung in Berlin in Bedrängnis. Noch ist offen, ob
die Landesregierung oder einer der privaten Anteilseigner das Gesetz
durch das Verfassungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit prüfen lassen
wird. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte schon vor der
Abstimmung seine Zweifel angemeldet. Doch der Senat kann über den
positiven Ausgang der Abstimmung nicht hinweggehen. Alle Verträge,
Nebenabreden und Vereinbarungen zur Teilprivatisierung der
Wasserbetriebe müssen nun öffentlich gemacht werden. Dieser
Volksentscheid wird nachwirken. Vordergründig ging die Debatte um die
hohen Wasserpreise. Die vor zehn Jahren ausgehandelten
Verkaufsverträge mit eingebauten Gewinngarantien für die privaten
Investoren führten dazu, dass die Wasserpreise in Berlin deutlich
gestiegen sind. Die Abstimmung war auch ein Protest gegen die
Bevormundung. Wenn Politiker meinen, dass komplizierte Sachverhalte
nur in Parlamenten und Ausschüssen ordentlich diskutiert werden
können, unterschätzen sie den mündigen Bürger. Die Berliner haben
verstanden, dass es einen Zusammenhang zwischen der Privatisierung
des Monopolisten Wasserbetriebe und den hohen Preisen gibt.
Volksentscheide in Berlin sind aber mehr als nur Abstimmungen über
Einzelfragen. Sie können zum Korrektiv der Politik werden. Nie hätte
der Senat die Wasserverträge im Internet veröffentlicht, wenn es
nicht 280.000 Unterschriften und eine teilweise Veröffentlichung
durch die „taz“ gegeben hätte. Auch beim Volksbegehren zur
Verbesserung der Kitas reagierte der rot-rote Senat in einer frühen
Phase der Unterschriftensammlung mit Nachbesserungen, weil man auch
hier einen zu großen Druck der Straße befürchtete. Insofern können
Massenbewegungen in Einzelfragen die Politik auch jenseits von Wahlen
lenken. Sie zeigen aber auch ein zunehmendes Misstrauen in die
Politik. Der schleichende Vertrauensverlust ist eine Gefahr für die
repräsentative Demokratie. Das Beispiel der Flugrouten für den
Großflughafen BBI zeigt, wie es nicht geht. Eine Änderung hinter
verschlossenen Behördentüren, ausgewählt nach scheinbar ungerechten
Kriterien und vorgesetzt ohne Mitspracherechte der betroffenen
Bürger. So wird Vertrauen verspielt. Dabei ist Deutschland mit der
repräsentativen Demokratie mehr als 60 Jahre gut gefahren. Ein
Abwägen durch Abgeordnete nach ausführlicher Erörterung darf nicht
unterschätzt werden. Im politischen Betrieb geht es auch um den
Ausgleich von Interessen. Häufig müssen auch unangenehme
Entscheidungen getroffen werden, die aber für die Zukunft wichtig
sind. Aber die Zeiten haben sich auch geändert. Die Mitbestimmung der
Bürger wird immer wichtiger. Was muss die Politik nun tun? Die
wichtigste Aufgabe ist es, ihre Entscheidungen transparenter zu
gestalten und durch Erklären Entscheidungen nachvollziehbar zu
machen. Gerade der Erfolg des Volksentscheids macht diese Forderungen
an die Politiker noch dringlicher. Es geht um viel in Berlin und
Deutschland in diesen Wochen. Es geht um das Vertrauen der Menschen.
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