BERLINER MORGENPOST: Gilbert Schomakerüber die Probleme von Berlins Innensenator Frank Henkel mit seiner Behörde

Bürger verlieren das Vertrauen

Leitartikel von Gilbert Schomaker über die Probleme von Berlins
Innensenator Frank Henkel mit seiner Behörde

Kann es noch schlimmer kommen? Da wurden in Berlin Akten zum
Rechtsextremismus vernichtet, weil sie verwechselt wurden. Da gibt es
eine Verfassungsschutzchefin, die im Urlaub weilt und es nicht für
nötig hält, ihren Dienstherrn, Innensenator Frank Henkel, umgehend
davon zu unterrichten. Stattdessen verstreichen mehrere Tage. Und es
vergehen weitere Wochen, bis Henkel die Politiker im Abgeordnetenhaus
informiert. Pavel Mayer von der Piratenpartei fasst es am Freitag so
zusammen: „Der perfekte Daten-GAU“. Der größte anzunehmende Unfall
betrifft den Berliner Verfassungsschutz. Eine Pannenserie
ohnegleichen. Und man stellt sich langsam wirklich die Frage: Ist das
wirklich alles nur peinliches Unvermögen, wie es Henkel ausdrückte?

Es war schlicht desaströs, wie sich am Freitag die obersten
Verfassungsschützer des Landes Berlins präsentierten. Dass
beispielsweise ein Referatsleiter eigenhändig Akten schreddert, weil
die Mitarbeiter diese Arbeit nicht mögen, klingt – vorsichtig
gesprochen – unglaubwürdig. Was stand wirklich in den Akten? Bis
heute ist diese Frage ungeklärt.

Im Zentrum der Krise steht aber nicht ein Beamter, sondern der
Innensenator. Nach der Affäre um den rechten V-Mann ThomasS. ist
Henkel wieder in Erklärungsnot. Um es klar zu sagen: Er hat nicht
persönlich Akten vernichtet oder die Anweisung dazu gegeben. Aber er
hätte natürlich die Abgeordneten sofort über die Panne informieren
müssen. Es scheint so, als sei dem erfahrenen Politiker Henkel sein
politisches Grundgespür abhandengekommen. Es war der
Parteivorsitzende Henkel, der die CDU nach Jahren in der Opposition
zurück an die Macht in Berlin geführt hat. Er wusste, dass das Amt
des Innensenators ein hohes Risiko mit sich bringt. Aber er traute es
sich zu. Jahrelang hatte er als Innenpolitiker die Themen bearbeitet
– nur eine Verwaltung hatte Henkel bis dahin noch nicht geführt.

Als er ins Amt kam, hat der Innensenator wohl einen entscheidenden
Fehler gemacht: Henkel holte als Staatssekretäre zwei ihm vertraute
Parteifreunden in die Innenverwaltung. Keine erfahrenen Juristen,
keine Sicherheits- oder Verfassungsschutzexperten, sondern einen
ehemaligen Bürgermeister aus Charlottenburg und einen Stadtrat und
CDU-Generalsekretär aus Tempelhof-Schöneberg. Nun hat man den
Eindruck, dass das Durchgreifen in der Verwaltung nicht funktioniert.
Andere Spitzenpolitiker holen sich Staatssekretäre, die nur dafür da
sind: die Verwaltung im Griff zu behalten. Wenn es dann Pannen gibt,
müssen sie gehen. Doch mit Parteifreunden geht das nicht so einfach.
Und so bleibt alles an Henkel hängen. Der vormals so starke Mann der
Berliner Christdemokraten wirkt stark geschwächt – und mit ihm die
gesamte rot-schwarze Koalition.

Politiker geben sich gern als Fels in der Brandung. Nur auf dem
festen Grund der Glaubwürdigkeit trotzt man den ständigen Anwürfen
der Opposition. Aussitzen, ausharren lautet die Devise. Doch was ist,
wenn die Glaubwürdigkeit so eklatant unterspült wird wie im Falle
dieser V-Mann- und Schredder-Skandale rund um das große Thema NSU?
Dann verlieren die Bürger das Vertrauen.

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