BERLINER MORGENPOST: Haushaltsplan für Unternehmen / Leitartikel von Beatrix Fricke

In jeder Familie ist diese Situation bestens
bekannt. Man sitzt gemütlich gemeinsam am Esstisch, das leckere Mahl
ist verspeist. Eine wohlige Feierabend-Schwere macht sich im Körper
breit. Am schönsten wäre es nun, auf dem Sofa den Tag ausklingen zu
lassen. Doch wer räumt die dreckigen Teller in die Spülmaschine, wer
schrubbt die Töpfe? Familien, die diese Aufgaben im Voraus verteilt
haben, handeln klug. Ein Haushaltsplan erspart Streit über eine
ungleiche Verteilung der Aufgaben. Jedes Familienmitglied wird in die
Pflicht genommen. Das mag nicht immer angenehm sein. Aber, Hand aufs
Herz: Es macht auch stolz, sich als unverzichtbares Mitglied einer
Gemeinschaft zu fühlen. Dass andere einem zutrauen, bestimmte
Arbeiten zu erledigen. Für Kinder kann das Tischabräumen eine solche
Herausforderung sein. Für die Erwachsenen bietet sie der
Arbeitsmarkt. Auch hier gibt es eingefahrenes Denken und Handeln und
die damit einhergehende Bequemlichkeit. Auch hier sind die Aufgaben
oft ungleich verteilt. Daher ist die Mehrheit im Bundesrat für eine
gesetzlich festgelegte Frauenquote für Spitzenjobs eine gute
Nachricht. Die Geschlechterquote: Sie ist nichts anderes als ein
Haushaltsplan für Unternehmen. Eine Besetzungsliste für die Aufgaben,
die hier zu bewältigen sind. So, wie beim Spülen mal der eine, mal
der andere dran sein sollte, ist auch in den Chefetagen ein Wechsel
zwischen Männern und Frauen nur fair. Wenn es keinen Plan dafür gibt,
bleibt es leicht bei der alten Gewohnheit, dass nämlich die Herren
den Ton angeben. Und bei Versprechungen, dass sich alles bald,
bestimmt, ganz sicher ändern wird. Die Alternative zur Quote, bei der
die Wirtschaft sich selbst freiwillig Zielvorgaben setzt, wäre so
eine luftige Lösung gewesen. Nun könnten Bußgelder drohen, wenn
Unternehmen ab 2018 nicht wenigstens 20 Prozent der Führungsposten
mit Frauen besetzt haben. Ein guter Plan, manchmal kann ein bisschen
Druck nicht schaden. Wer diesen Druck braucht? Auf der einen Seite
die Männer. So, wie viele nur ungern den Platz am Esstisch verlassen,
um „niedere“ Aufgaben wie das Abräumen zu erledigen, geben viele auch
nicht freiwillig den Chefsessel auf. Doch auch die Frauen brauchen
Druck. Noch viel zu häufig trauen sie sich nicht zu,
Führungspositionen zu fordern, ja sie überhaupt ausfüllen zu können.
Es wird ihnen gut tun, stärker in die Verantwortung genommen zu
werden. Die Argumente pro Quote sind längst hinreichend diskutiert.
Nun darf gehandelt werden. Wir werden uns in Deutschland schnell an
die Frauenquote gewöhnen, wenn sie denn tatsächlich kommt, und der
Alltag mit ihr wird viele Vorurteile entkräften. Die Unternehmen, die
nicht mehr Frauen aufrücken lassen wollen oder können, werden ohnehin
versuchen sich freizukaufen – so wie bei der Quote zur Beschäftigung
Schwerbehinderter. Hier zahlen einige Arbeitgeber lieber eine
Ausgleichsabgabe, anstatt den vorgeschriebenen Prozentsatz zu
erfüllen. Ein Verhalten übrigens, das von besagtem Abendbrottisch
bekannt ist. Doch die Quittung dafür kommt meist schnell: Schon bald
hängt der Haussegen schief.

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