BERLINER MORGENPOST: Keine Hauptstadt der Schulden mehr – Leitartikel von Joachim Fahrun

Berlin zahlt ab. Der Schuldenberg schrumpft. Nur
wenig zwar, aber immerhin. Es besteht die Hoffnung, dass der Stand
der Verbindlichkeiten mit 63 Milliarden Euro seinen Höhepunkt
erreicht hat. Nach dem Marsch in die Schulden wegen der schnellen
Kürzung der Berlin-Hilfen in der Einheitseuphorie, nach
Misswirtschaft, Bankenskandal, Subventionierung des Immobiliensektors
und Überbesetzung des öffentlichen Dienstes ist das fast 25 Jahre
nach dem Mauerfall eine gute Nachricht. Die aktuelle Finanzlage der
Stadt ist so gut, dass der Schock nach der Volkszählung mit deutlich
weniger Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich ebenso weggedrückt
werden kann wie die Millionen-Überweisungen für den Flughafen BER.
Dieses Jahr wird Berlin wohl mit einem Plus von 400 Millionen Euro
abschließen. 2014 wollen SPD und CDU deshalb auf neue Schulden
verzichten.

Wieder einmal zeigt sich, dass man mit Kürzen allein keinen
Haushalt saniert, Ausgabenkontrolle aber alles ist. Die einer soliden
Wirtschaftsentwicklung folgenden kräftigen Steuereinnahmen machen es
in Verbindung mit niedrigen Zinsen der rot-schwarzen Koalition in
Berlin nun möglich, das Haushaltsloch zu schließen und sich
gleichzeitig Ausgaben zu gönnen. Selbst wenn man im Einzelfall
darüber streiten kann, ist es kein falsches Signal, wenn eine
wachsende Metropole wie Berlin nicht nur auf der Bremse steht.

Die Opposition verlangt, die Überschüsse auch zur Entschuldung
etwa der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), für die Sanierung des
Universitätsklinikums in Steglitz oder der maroden öffentlichen
Gebäude zu verwenden, anstatt nur Schulden zu tilgen. Das ist eine
Überlegung wert, denn kaputte Bauten und hoch verschuldete
öffentliche Unternehmen belasten die Zukunft der Stadt ebenso wie
Verbindlichkeiten des Senats. Wenn der Verzicht auf Sanierung
langfristig teurer ist als die Zinsentlastung, wäre es ökonomisch
sogar klug, zu investieren, anstatt Schulden abzubauen.

Aber es geht nicht nur um Ökonomie in der Schuldenhauptstadt. Bald
werden Bund und Länder verhandeln, um ihre Finanzbeziehungen neu zu
ordnen. Berlin hängt am Tropf des Länderfinanzausgleichs. Die
Bereitschaft der anderen, Berlin einen Teil seiner immer noch
drückenden Altschulden abzunehmen, dürfte steigen, wenn die Stadt
bereits aus eigener Kraft den Schuldenberg abgetragen hat. Und sei es
nur ein wenig.

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