Es ist mehr eine Vorsorgemaßnahme denn ein
Noteingriff. Eine wirkliche medizinische Unterversorgung gibt es in
keinem der zwölf Berliner Bezirke. Das betrifft sowohl das Angebot
der Haus- als auch das der Facharztpraxen. Insofern werden ambulante
Patienten in der Hauptstadt sehr viel besser betreut als Menschen auf
dem Lande, wo sich etwa in brandenburgischen Kleinstädten lange
Schlangen bilden, wenn sich dort endlich mal ein Facharzt
niederlässt. Dennoch hat auch Berlin ein Problem. Allerdings ein
vergleichsweise kleines. Es besteht darin, dass die Dichte der
Arztpraxen aller Fachrichtungen in den einzelnen Bezirken sehr
unterschiedlich ist. Dass sich Gesundheitssenator Mario Czaja
zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und den
Krankenkassen auf eine gleichmäßigere Verteilung der medizinischen
Betreuung vor Ort verständigt hat, ist löblich. Allerdings läuft ihre
Einigung auf ein Langfristprogramm hinaus. Eine bessere Verteilung,
und damit Arztbesuche der kürzeren Wege, wird nach der gemeinsamen
Vereinbarung vor allem durch den freiwilligen Umzug eines Arztes von
einem Bezirk mit sehr vielen Praxen in einen mit weniger möglich. Das
sollen pro Jahr maximal 80 Mediziner sein. Lange hatten sich KV und
Krankenkassen gegen diese weitere staatliche Einmischung in den
Gesundheitsbereich gewehrt. Es spricht für Czajas Durchsetzungskraft,
dass er mit dem notwendigen Druck mittels des
„Versorgungsstrukturgesetzes“ die Verbandsfunktionäre wenn schon
nicht überzeugen, so zumindest überreden konnte. Als erstes Land
beruft sich Berlin auf dieses Bundesgesetz und sendet damit zugleich
ein Signal an Länder mit weitaus größeren Problemen. Zudem
argumentierte Czaja mit „Sozialindikatoren“, die bei der Verteilung
der Praxen zu berücksichtigen sind. Die Indikatoren sollen dafür
sorgen, dass sich in sozial schwierigen Bezirken mehr Ärzte
niederlassen, um die Versorgung der Menschen wohnungsnah
sicherzustellen und überlange Wartezeiten zu vermeiden. Ein
vernünftiger Ansatz. In Berlin gibt es insgesamt 400 Hausärzte mehr
als nötig. Nach dem hippokratischen Selbstverständnis sollten Ärzte
aller Fachrichtungen sich doch wohl vorrangig dort niederlassen, wo
sie gebraucht werden und nicht dort, wo sie dank Privatpatienten am
meisten verdienen. Es spricht weder für die KV noch für die Kassen,
dass diese Einsicht erst mal wieder durch politischen Druck befördert
werden musste.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de