BERLINER MORGENPOST: Mit einem Bauernopfer ist es nicht getan – Leitartikel von Christine Richter

So sieht eine Vollbremsung aus: Der
Hauptstadtflughafen BER wird nun erst am 17. März 2013, also neun
Monate später als ursprünglich geplant, eröffnet. Nicht nach der
Sommerpause, wie der Aufsichtsratsvorsitzende der
Flughafengesellschaft, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit
(SPD), noch in der letzten Woche nach der überraschenden Verschiebung
der BER-Eröffnung wegen mangelnden Brandschutzes mutmaßte. Auch nicht
zum Winterflugplan Ende Oktober dieses Jahres, wie es die
Fluggesellschaften erhofften. Nein, der Schaden ist so groß, die
Bauarbeiten so weit im Rückstand, dass die politisch Verantwortlichen
jetzt lieber auf Nummer sicher gehen. Zumal eine BER-Eröffnung mitten
in einem womöglich strengen Winter mit Eis und Schneestürmen
erhebliche Risiken birgt. Die Entscheidung für eine März-Eröffnung
ist bitter für die Fluggesellschaften und die Einzelhändler, die am
BER eine neue Zeit beginnen wollten. Aber sie ist richtig. Genauso
wie der Beschluss des Aufsichtsrats, sich von dem Chefplaner zu
trennen, dem Technikvorstand Manfred Körtgen. Der trotz des
BER-Großprojekts noch Zeit gefunden hat, nebenbei zu promovieren.
Aber Körtgen ist, so viel ist jetzt schon klar, nicht der Einzige,
der für die Schlampereien und den Bauverzug die Verantwortung trägt.
Da gibt es noch den Flughafenchef Rainer Schwarz, der auch erst in
letzter Minute – dreieinhalb Wochen vor der geplanten Eröffnung – die
Brandschutzprobleme erkannte. Der auch beschönigte und Ende Februar
die Warnungen, der Eröffnungstermin sei nicht zu halten – wie sie die
Beratungsgesellschaft McKinsey und der TÜV Rheinland äußerten -,
offensichtlich ignorierte. Und auch Wowereit und der brandenburgische
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) können sich jetzt nicht aus
der Verantwortung stehlen. Sie stellen sich derzeit so dar, als seien
sie die Betrogenen, als hätten sie im Aufsichtsrat immer die
richtigen Fragen gestellt und seien stets belogen worden. Warum
vertraute der Aufsichtsrat Schwarz eigentlich noch, der ja schon für
die erste Verschiebung der Flughafeneröffnung verantwortlich war?
Warum forderten sie keinen Mann im Vorstand der
Flughafengesellschaft, der ausschließlich für das Bauprojekt BER da
war? Schwarz musste sich ja auch um den Alltag in Tegel und
Schönefeld (Alt) kümmern, war viel unterwegs, um die
Flughafengesellschaft zu präsentieren. Warum gab es keinen, der Tag
für Tag auf der Baustelle war? Und wenn es jetzt heißt, es sei ein
Fehler gewesen, Planung und Kontrolle in einer Hand zu lassen, dann
fragt man sich schon, in welchem Jahrhundert ein solches
Mammutprojekt realisiert wird. Für Berlin ist ein großer Imageschaden
entstanden. Das ist schlimm und wahrlich kein Grund zur Häme.
Schlimmer noch wird der wirtschaftliche Schaden sein. Wie hoch die
Schadenersatzforderungen der Fluggesellschaften ausfallen, ist zwar
noch unklar. Die Verschiebung auf März 2013 wird aber sicherlich eine
hohe dreistellige Millionensumme kosten. Der Aufsichtsrat hat in
seiner langen Nachtsitzung die ersten richtigen Entscheidungen
getroffen. Mehr aber auch nicht. Wowereit & Co. müssen noch viele
Fragen beantworten – zu ihrer Rolle und Verantwortung, zu
Flughafenchef Schwarz. Und das vor dem 17. März 2013.

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